Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
gerade noch recht zur vierten Stunde.
Doch dann spürte Marie, dass sie eifersüchtig war. Eifersüchtig auf die junge Pia. Und darauf, dass ihr Sohn mit der Schwedin so ausgelassen sein konnte wie mit ihr schon seit Wochen oder Monaten nicht mehr.
Wenn sie es recht überlegte: Seit Karl nach Kundus gegangen war, hatte sich Felix auch ihr gegenüber verschlossen. Jedenfalls war es schon sehr lange her, dass Felix so mit seiner Mutter herumgetobt hatte wie jetzt mit Pia, die ihm ja fremd war.
Marie kam sich schäbig vor. Sollte sie ihren Sohn jetzt beim Spiel stören und in die Schule schicken? Aus Eifersucht? Nein, das war nicht ihre Art. Sie hasste eifersüchtige Frauen und – eigentlich noch mehr – eifersüchtige Mütter.
Und wenn sie es recht überlegte: Eigentlich war sie ja schuld daran, dass Felix nicht in der Schule war. Hätte sie nicht verschlafen, dann hätte sie ihn rechtzeitig wecken und ihm Frühstück machen können. Dann wäre er jetzt in der Schule und würde nicht im Garten herumtoben.
Also beschloss Marie, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Sie würde eine Entschuldigung schreiben. Und sie würde nie wieder eifersüchtig auf die blonde Schwedin Pia sein.
Pia war doch das Beste, was ihr passieren konnte, fand Marie und ging ins Bad.
19.
Pia blieb auch die nächste Nacht. Obwohl Gunter, ihr Bruder, sich nicht meldete. Sie machte nicht einmal den Versuch, ihre Abreise zur Sprache zu bringen. Sie blieb einfach.
Marie beschloss, so zu tun, als hätten sie beide vereinbart, dass Pia bleiben konnte, bis sie wieder zurück wollte. Im Übrigen wartete auch sie darauf, dass Gunter sich endlich meldete. Sie machte sich Sorgen um den Mann, den sie sich doch eigentlich aus dem Kopf hatte schlagen wollen.
Pia blieb also. Und Felix freute sich.
Pia holte ihn von der Schule ab und begleitete ihn nachmittags zum Fußball und zur Nachhilfe. Sie sagte, sie mache das gerne, sie könne nicht einfach tatenlos herumsitzen.
Pia fuhr in ihrem Zweisitzer zusammen mit Marie nach Heringsdorf in den Supermarkt. Marie kaufte sonst nur in Koserow ein. Meistens mit dem Fahrrad. Das war beschwerlich.
Pia war für Marie eine große Hilfe. So schaffte sie es endlich, den Berg an Manuskripten abzuarbeiten, der sich in den letzten Wochen angesammelt hatte. Pia kümmerte sich um Felix, was ihr, wie sie betonte, am meisten Spaß machte. Sie erledigte aber auch vieles, was Marie sonst Zeit kostete. Nur kochen konnte sie nicht. Dafür war weiter Marie zuständig – aber das war ihr ganz recht. Sie konnte sich ja nicht nur noch auf ihre Manuskripte konzentrieren.
Abends, wenn Felix im Bett lag, was sich durch Pias Anwesenheit natürlich etwas hinauszögerte, saßen die beiden Frauen zusammen. Sie tranken Wein und unterhielten sich. Maria erzählte viel von Karl – von der Zeit, als Karl noch nicht in Afghanistan stationiert war. Pia hörte ihr anscheinend gerne zu. Sie selbst erzählte nur etwas, wenn Marie sie danach fragte. Über ihren Bruder sprach sie nie – obwohl sie doch in Koserow war, weil sie auf ihn wartete.
Marie nahm an, dass es ihr schwerfiel, über Gunter zu reden, weil sie fürchtete, er könnte nicht mehr am Leben sein. Deshalb versuchte sie auch nicht, Pia dazu zu drängen. Sie würde schon von selbst damit anfangen. Oder einfach gehen, falls Gunter sich wirklich nicht mehr melden sollte. Aber das konnte Marie sich nicht vorstellen.
Marie hingegen halfen diese Abende. Jetzt erst wurde ihr klar, wie zufrieden sie eigentlich gelebt hatten, bevor Karl nach Kundus gegangen war.
»Ich würde gerne nach Berlin fahren«, sagte sie eines Abends unvermittelt.
Pia erschrak. Das sah Marie, obwohl Pia sich Mühe gab, es vor ihr zu verbergen. Hatte sie Angst, Marie könnte mit einer schlimmen Nachricht, ihren Bruder betreffend, nach Koserow zurückkehren?
»Was willst du in Berlin?«
»Ich kann es nicht mehr ertragen, hierzusitzen und zu warten. Ich will endlich wissen, was in Kundus geschehen ist.«
Natürlich hatte Marie Pia nichts davon erzählt, dass Karl am Leben war. Auch wenn sie ihren Mann mittlerweile für verrückt hielt, so hielt sie sich doch an seine Anweisung, niemandem gegenüber etwas von seinen Anrufen verlauten zu lassen. Auch Felix wusste das, und er schwieg. Das war etwas, was ihn noch enger mit seinem Vater verband. Marie konnte sich sicher sein, dass der Junge auch seiner neuen Freundin Pia gegenüber nie etwas von Karls Anrufen erwähnte.
»Aber zu wem willst du gehen?«
»Es
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