Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
Abendessen. Sie kommen doch, Egon?«
Egon nickte. Marie sah ihm an, dass er sich über die Einladung freute.
Sie brachte ihn hinaus, nachdem er sich etwas ungeschickt von Pia verabschiedet hatte.
Egons Werkzeugkasten stand im Flur auf dem Boden. Marie zog das schwarze Ding aus ihrer Hosentasche. Sie wollte es Egon mitgeben.
Der nahm den Werkzeugkasten auf und sagte: »Nein, damit kann ich nichts anfangen.«
»Ist es eine Wanze?«
»Ja. Sie war in der Schaltanlage versteckt. Ich an Ihrer Stelle würde eine Anzeige machen.«
Marie bedankte sich und brachte ihn hinaus. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, ihm Geld anzubieten. Im Gegenteil: Es würde ihn ärgern.
»Das mit dem Abendessen war ernst gemeint. Kommen Sie?«
»Gerne«, antwortete Egon im Gehen. In der Gartenpforte drehte er sich noch einmal um. »Ist es wegen Karl?«
»Was?«
»Das kleine Ding.«
Marie hob die Schultern. »Keine Ahnung. Ich weiß nicht einmal, wer das Ding eingebaut haben könnte.«
Egon nickte. Es war, als unterhielten sie sich über ein Unwetter – über etwas, wogegen man nichts machen konnte.
»Wenn ich noch etwas für euch tun kann …«
Marie musterte den eigenartigen Menschen. Sie stellte erstaunt fest, dass Egon es ernst meinte: Er wollte Felix und ihr helfen.
»Ich hätte da eine Frage.« Marie trat ganz nah an Egon heran. Er roch nach Schweiß und ihrer Nudelsuppe, aber sie genoss es, in seiner Nähe zu sein. Es beruhigte sie.
»Jetzt, wo ich weiß, dass sie eine Wanze eingebaut hatten. Was kann ich tun? Ich will nicht, dass sie es erneut versuchen.«
Egon überlegte. »Am besten …«
Er stockte.
»Ja!«
»… am besten ist, Sie besorgen sich ein Kartenhandy. Also ein Handy ohne Vertrag. Kaufen Sie es irgendwo anders. Nicht hier im Ort. Niemand sollte wissen, dass Sie dieses Handy besitzen. Lernen Sie die Nummer auswendig! Schmeißen Sie alle Unterlagen weg!«
Als Marie ins Haus zurückkam, saßen Fritz und Pia im Wohnzimmer auf dem Boden und spielten Mensch-ärgere-dich-nicht.
Marie räumte den Tisch ab und stellte das Geschirr in den Geschirrspüler. Sie wartete, bis das Spiel zu Ende war. »Nun ist aber Zeit für die Hausaufgaben!«
Felix murrte, aber er nahm seinen Ranzen und trottete die Treppe hoch.
»Beeil dich! Dann ist Pia auch noch da, wenn du fertig bist.«
Das tat seine Wirkung. Felix war sofort in seinem Zimmer verschwunden.
»Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte Marie.
Pia nickte. »Gerne. Kann ich irgendetwas helfen?«
»Nein. Setzen Sie sich hin, während ich den Kaffee mache! Wir haben einiges zu besprechen.«
Pia gehorchte. Marie füllte die Kaffeemaschine mit Wasser und tat Filterpapier und Kaffee in den Filter. Dann stellte sie die Maschine an. Das Wasser brodelte. Marie setzte sich mit zwei Tassen zu Pia an den Tisch.
»Sie sind also Gunters Schwester?«
»Ja. Wir haben vor ein paar Tagen miteinander telefoniert. Es wurde verabredet, dass ich ihn abhole und nach Schweden bringe.«
Pia wirkte nervös. Offensichtlich überforderte sie diese Reise. »Ich bin zehn Jahre jünger. Das Nesthäkchen.« Sie lachte etwas überdreht. Dann wurde sie wieder ernst. »Ich kenne meinen Bruder nicht so. Sie müssen wissen: Gunter ist eigentlich ein sehr beherrschter und souveräner Mensch.«
Da hatte Marie ihn aber ganz anders kennengelernt. Aber wenn Pia die jüngere der beiden Geschwister war, hatte sie wahrscheinlich immer zu ihrem Bruder aufgeschaut.
»Ich habe ihn noch niemals in Panik erlebt. Ich meine, so in Panik wie bei seinem letzten Anruf. Frau Blau, ich habe Angst um meinen Bruder.«
Irgendwie machte dieses Mädchen aus Südschweden Marie wütend: Wie hilflos es dasaß und darauf wartete, dass Marie etwas tat, was ihr die Sorge um ihren Bruder nahm. Wie kurz zuvor, als sie einfach gehupt hatte, anstatt aus dem Auto auszusteigen und an der Haustür zu läuten. Deshalb hatte Marie keine Skrupel, ihr die Wahrheit zu sagen.
»Es kam eine Meldung übers Radio. In Berlin wird ein Gunter Theobald vermisst. Freunde sind zur Polizei gegangen. Er ist seit zwei Tagen nicht mehr gesehen worden.«
Pia starrte sie lange an – als sei es eine Zumutung, was Marie ihr da gesagt hatte.
Dann fing sie an zu weinen. Sie weinte so haltlos, dass Marie befürchtete, Felix könnte runterkommen und sich erschrecken angesichts des Bildes, das die Schwedin abgab.
»Er ist sicher getötet worden«, schluchzte sie. »Der arme Junge.«
»Wer sollte ihn getötet haben? Und warum?«
Marie fand das
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