Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
nicht geklappt.«
»Sie sind Ihnen entwischt?«
Ernestos Lippen wurden dünn. »Es ist eine Tragödie. Wir hätten eine Chance gehabt. Wir hätten nur mit Ihrem Mann reden müssen. Das war doch eine Kurzschlussreaktion. Er war einfach überfordert. Aber es kam anders.«
Marie stutzte. »Was ist passiert?«
Es kostete Ernesto offenbar viel Überwindung, Marie das zu sagen. »Noch während wir den kleinen Trupp verfolgten, haben die Amerikaner ihn entdeckt. Sie waren wohl schon länger hinter den Taliban-Kämpfern her. Die Amis sind da nicht zimperlich. Sie haben kurzen Prozess gemacht und eine Rakete auf die Gruppe abgefeuert. Danach war von dem Konvoi nichts mehr übrig. Nur noch Asche. Tut mir leid.«
Marie war jetzt hellwach. Karl hatte doch mit ihr gesprochen. Und jetzt sollte er plötzlich desertiert und durch einen Raketenschlag der Amerikaner umgekommen sein. Wussten sie denn in Berlin nicht, dass Karl noch am Leben war? Sie mussten es doch durch die Wanze erfahren haben, die sie an ihre Telefonleitung geklemmt hatten. »Und warum haben Sie behauptet, er sei bei dem Selbstmordanschlag gestorben?«
Ernesto wurde fast offiziell, der Herr Major. »Überlegen Sie mal, Frau Blau: Ein Deserteur aus der Bundeswehr läuft zu den Taliban über. Und dann auch noch so ein ausgezeichneter Offizier wie Ihr Mann. Ein Oberleutnant. Was das für ein politisches Gemetzel gegeben hätte. Und dann die Unruhe in der Truppe. Frau Blau, ich weiß, das ist alles schrecklich für Sie, aber Sie müssen auch uns verstehen: Ein Soldat mehr, der bei dem Anschlag ums Leben gekommen ist, war weniger schlimm als ein Deserteur.«
Sie griff in ihre Hosentasche. Sie legte den schwarzen, hässlichen Knopf vor Ernesto auf den Tisch. »Was ist das?«
Ernesto schaute traurig drein. »Sie müssen verstehen. Es gibt hier auch Leute, die das Problem anders angehen. Ich kann mich da nicht immer durchsetzen.« Er nahm die Wanze zwischen Daumen und Zeigefinger und drehte sie versonnen. »Ich war immer dagegen. Aber es musste sein. Sie wollten hier im Haus mehr Sicherheit. Deshalb wurde das Ding gesetzt. Tut mir leid.«
»Das ist keine Kleinigkeit. Ich werde zur Polizei gehen.«
Ernestos Kopf fuhr hoch. »Das würde ich an Ihrer Stelle auch machen. Sie sind völlig im Recht. So etwas …« Er hob die Wanze auf Augenhöhe zwischen sich und Marie. Für einen Moment sah es so aus, als würde er sie zerdrücken. Wie echtes Ungeziefer.
Aber dann lächelte er nur versonnen. »Sie hat nicht funktioniert. Aber das wissen Sie sicher längst.«
Nicht funktioniert? Die Wanze hatte nichts gesendet? Deshalb also glaubten sie hier immer noch, Karl sei tot.
»Ich gönne den Betonköpfen diese Blamage. Manchmal genügt schon ein defekter DVD-Player, um so ein Ding auszuschalten. Oder eine dieser neuen Spielkonsolen. Oder es wurde beim Anschließen geschlampt. Sie haben getobt. Es sollte schnellstens ein Ersatz installiert werden.« Ernesto beugte sich vor. Er flüsterte. Marie fragte sich, ob das schon wieder ein Trick war, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen. »Aber diesmal habe ich mich durchgesetzt. Sie sammeln noch ihre Truppen. Aber ich glaube, einen neuen Anlauf werden sie nicht schaffen.«
Ernesto schnellte zurück. Er schien zu triumphieren. Seine knochigen Hände massierten vor Aufregung Maries Knie. »Seien Sie froh! Ihre Privatsphäre wurde nicht verletzt. Nie.«
So lief es also. Sie hatten keine Ahnung, was mit Karl wirklich los war.
»Und was ist mit der CD, die Herr Theobald mir aus Kundus mitgebracht hat?«
Ernesto zog die Augenbrauen hoch. »Der Staatssekretär hat darauf bestanden.«
»Er hat darauf bestanden, dass Sie bei mir einbrechen? Ein feiner Staatssekretär.«
Ernesto erhob sich und richtete seine Uniform.
Irgendwie schien Marie ihn gekränkt zu haben. Offensichtlich nahm er die Sache mit der CD persönlich. »Ich weiß, dass das nicht angenehm für Sie war«, erklärte er in einem geschäftlichen Ton. »Aber es blieb uns nichts anderes übrig. Wir mussten den Inhalt sehen – um uns Klarheit zu verschaffen. Wir sind ja nicht nur für Ihren Mann verantwortlich. In Kundus schweben viele seiner Kameraden in ständiger Gefahr. Im Übrigen ist die CD rein rechtlich Eigentum der Bundeswehr. Sie hätte nach dem Anschlag beschlagnahmt werden müssen. Aber dieser Theobald hat sie entwendet und aus dem Land rausgeschafft. Ich kann Sie vor diesem Herrn nur eindringlich warnen, Frau Blau!«
»Da sind Sie nicht der Erste.« Marie
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