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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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jahrelang immer wieder in Seminaren geprobt: »Es ist höchste Zeit zu reden, Frau Blau. Darf ich Marie sagen?«
    So eine Frechheit. Marie wollte nassforsch klingen: »Was sind Sie nun: Psychotherapeut oder Offizier?«
    »Beides.«
    Es klopfte. Komisch. Eben war dieser Raum noch eine Gefängniszelle, in der sie beinahe vertrocknet wäre. Jetzt, wo dieser Ernesto ihr gegenübersaß und die Beine lässig übereinanderschlug, verwandelte er sich in das Büro eines Vorgesetzten, an dessen Tür die Untergebenen höflich anklopfen mussten. Marie fragte sich, ob sie diesen Wechsel der Bedeutungen ihretwegen inszenierten. Um sie in den Wahnsinn zu treiben. So wie sie auch Karl in Kundus den Verstand geraubt hatten.
    »Ja!!«, tönte Ernesto genervt.
    Der Adjutant jonglierte ein ovales Stahltablett herein. Darauf standen ein Wasserglas und eine Literflasche mit teurem französischem Mineralwasser.
    Marie griff schon nach der Flasche, bevor der Adjutant das Tablett auf dem Tisch abgestellt hatte. Sie bemerkte, dass der Schraubverschluss offen war. Die Flasche war aber voll. Ob sie etwas in das Wasser hineingetan hatten? Eine Droge? Eine Wahrheitsdroge?
    Es war ihr egal. Wasser blieb Wasser.
    Sie schenkte sich ein. Bis das Glas randvoll war. Es sprudelte ein wenig. Winzige Kohlensäurebläschen stiegen vom Boden des geriffelten Glases an die Oberfläche.
    Eine unglaubliche, alles verzehrende Gier packte Marie. Am liebsten hätte sie die Flasche an die Lippen gesetzt und sie in einem Zug leer getrunken. Aber sie wollte sich vor diesen beiden Männern nicht so aufführen. Sie sollten sehen, dass sie sie mit ihrem Theater nicht kleingekriegt hatten.
    Sie nippte erst an dem Mineralwasser im Glas. Zur Vorsicht. Nicht dass sie Angst vor einer Droge gehabt hätte. Sie wollte sich einfach nur sicher sein, dass das Wasser auch so schmeckte, wie es aussah.
    Herrlich. Es schmeckte wie Wasser. So gut, wie ihr noch nie ein Wasser geschmeckt hatte.
    Sie trank in großen Schlucken. Alles andere war ihr gleichgültig geworden. Sie wollte nur noch dieses angenehm leicht sprudelnde Glas Wasser leer trinken. Sonst nichts. Sollten sie ihr dabei zusehen. Sollten sie sich an ihrer Gier aufgeilen. Was spielte das für eine Rolle? Sie hatte endlich was zu trinken. Wasser.
    Marie war trocken wie ein alter Schwamm.
    Ihr Körper sog das Wasser schneller auf, als sie trinken konnte. Sie schenkte sich hastig nach. Weil sie es zu schnell tat, schwappte ein Klecks Wasser auf den Tisch.
    »Upps«, sagte sie, stellte die Flasche scheppernd ab und führte das randvolle Glas hastig an die Lippen.
    Würde das Glas doch nie leer werden.
    Sie spürte, wie sich ihre Körperzellen langsam wieder anreicherten. Ein großartiges Gefühl. Als ob ein Platzregen auf heißen Wüstenboden fiel.
    Auch das zweite Glas trank sie zielstrebig leer. Vielleicht nicht mehr ganz so hastig. Aber immer noch mit der Absicht, diesen Liter Wasser ohne Pause auszutrinken. Das brauchte sie jetzt.
    Beim dritten Glas glaubte sie, ihr Magen würde gleich überlaufen. Sie hätte gerne gerülpst. Aber auch diesen Gefallen wollte sie den beiden anderen nicht tun.
    Immerhin fühlte sie sich besser. Sie hatte das bekommen, was sie am dringendsten gebraucht hatte. Jetzt war alles einfacher.
    Ernesto beobachtete Marie immer noch mit einem Gesichtsausdruck, dem nichts über seine wirkliche Verfassung zu entnehmen war. Er atmete etwas gereizt durch die Nase ein, wobei er die Nasenflügel leicht aufblähte. Dann wandte er sich dem Adjutanten zu. »Das war’s.«
    Der Junge nickte und ging. Marie hatte den Eindruck, dass er gerne noch bis zum Schluss geblieben wäre. Zumindest bis sie die ganze Flasche Wasser ausgetrunken hatte.
    Marie stellte das Glas ab, obwohl es noch halb voll war. Sie streckte sich, sie wollte diesem Ernesto in Sachen Lässigkeit nicht nachstehen. »Ich habe in den Sarg geschaut, der in Koserow beerdigt worden ist. Er war voller Sandsäcke.«
    Ernesto schien das nicht zu überraschen. Er schaute sie an und zog die Mundwinkel nach unten. Wie ein alter Hofhund, die nie das bekam, was er wollte. »Wir konnten den Leichnam Ihres Gatten nicht nach Deutschland überführen. Deshalb …«
    Er machte eine Pause. Als müsste er sich erst mühsam wieder ins Gedächtnis zurückrufen, mit wem er eigentlich worüber sprach.
    »Deshalb haben Sie den Sarg mit Sandsäcken gefüllt?«
    »Ich weiß, dass Sie das als Antwort nicht zufriedenstellt, Frau Blau, aber …«
    Der Ton war bemüht, aber

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