Alleinstehender Psychopath sucht Gleichgesinnte
Ich war nicht sicher, wie tief man mich vergraben hatte, und wenn zu viel Erde nachdrückte, konnte der Sargdeckel durchbrechen und mich zerquetschen wie … nun, wie eine Made.
Langsam und stetig arbeitete ich weiter.
Meine Arme waren qualvoll wund und zwangen mich zu einer Pause. Ich legte sie an die Seiten, schloss die Augen und versuchte, ruhig zu atmen.
Dabei stellte ich mir vor, wie Wesley raunte:
Mach gefälligst weiter, du Faulpelz!
Nach einigen Minuten gelang es mir, erneut einen Holzbrocken herauszureißen, dann begann ich emsig, die freiliegende Erde zum Fuß des Sargs zu schaufeln. Geringe Mengen rieselten mir ins Gesicht, und ich spuckte sie zur Seite.
* * *
Ich hatte so hoch gegraben, wie meine Arme reichten, was sich als recht einfach erwiesen hatte, da das Grab nur aufgefüllt worden war, die Erde aber keine Zeit gehabt hatte, sich zu verdichten.
Nun hatte ich mehr Bewegungsfreiheit und machte mich daran, weitere Teile des Sargdeckels abzubrechen.
* * *
Obwohl sich das Atmen mittlerweile schwierig gestaltete, war ich guter Dinge, als ich mich aufsetzte. Dabei schürfte ich mir an einem vorstehenden Teil des Deckels die bereits verletzte Schulter schlimm auf, doch ich war überzeugt davon, es gleich geschafft zu haben.
Teigiges Fleisch klebte an meinem Rücken. Ich achtete nicht darauf.
* * *
Ich schaffe es
!
Hoffnung und Kraft erfüllten mich. Trotz der grauenhaften Tortur, trotz des Umstands, dass meine Überlebenschancen, sobald ich die Oberfläche erreichte, vermutlich gering wären, trotz der Wahrscheinlichkeit, Helen, Theresa und Kyle wohl nie wiederzusehen, fühlte ich mich energiegeladen. Ich würde hier rauskommen.
Ich kniete mich hin und grub mit unvorstellbarer Inbrunst. Mittlerweile konnte ich die Arme fast vollständig über den Kopf strecken, ich musste mich also nah an der Oberfläche befinden.
Unvermittelt fragte ich mich, ob mich oben jemand erwarten würde.
Würden sie sich die Mühe gemacht haben, jemanden ein Grab bewachen zu lassen?
Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
* * *
Meine Hand stieß durch die Oberfläche.
Die kalte Luft fühlte sich uneingeschränkt fantastisch an. Meine andere Hand folgte, und ich klammerte mich am glatten Boden oben fest.
Es bedurfte mehrerer Anläufe, um die nötige Kraft aufzubringen, doch letztlich gelang es mir, mich aus dem Grab zu ziehen.
Nachdem ich so lange in völliger Finsternis geweilt hatte, brannte mir das Licht in den Augen. Keuchend und völlig erschöpft lag ich da.
Ich hatte es geschafft!
Dann hörte ich jemanden applaudieren.
»Also,
das
war wirklich beeindruckend. Gute Arbeit.«
Roger! Es war Roger! Aber war er entkommen oder immer noch ein Gefangener?«
Ich schirmte die Augen vor dem Licht ab und drehte mich herum. »Roger!«, stieß ich hervor.
»Äh, nein, nicht Roger. Durch die traumatische Erfahrung hast du wohl leichte Wahnvorstellungen. Ich bin’s, dein guter, alter Freund Curtwood Foster.«
Und so war es auch. Foster saß auf einem Klappstuhl, ein Taschenbuch in einer Hand, einen Martini in der anderen.
Ich brach auf den Boden zusammen.
»Oh … ist mein armer Freund müde?«
Foster legte das Buch beiseite, stellte den Drink ab, stand auf und kam auf mich zu. Er knackte mit den Knöcheln. »Du bist ja so was von tot.«
»Weißt du, Foster«, brachte ich mühsam hervor, »du warst schon immer mein Liebling der Gruppe.«
»Ist das nicht rührend? Weißt du, ich könnte dich in den Operationssaal schaffen, aber tief in meinem Herzen bin ich richtig altmodisch, also setze ich auf Altbewährtes und prügle dich zu Tode.«
Ich stemmte mich hoch. Ein heftiger Tritt in meine Seite sandte mich zurück zu Boden. Vor Schmerzen stöhnend rollte ich mich auf den Rücken.
»Nein, nein, du brauchst nicht für mich aufzustehen«, sagte Foster. »Ich muss gestehen, während ich dort saß, habe ich die ganze Zeit gehofft, dass du es irgendwie aus dem Grab schaffen würdest. Fast hätte ich dich selbst ausgebuddelt. Ich wollte das hier unbedingt tun.« Abermals trat er mir in die Seite. Ich fragte mich, ob meine Rippen wie jene Wesleys aussehen würden, wenn dies vorüber wäre.
Foster trat einen Schritt zurück und hob wie ein Boxer die Fäuste an. »Gestalten wir es fair. Ich lasse dir ein paar Momente Zeit zum Aufstehen. Vielleicht gewähre ich dir sogar einen Schlag ohne Gegenwehr. Wie hört sich das an?«
»Wie wär’s …« Ich musste mitten im Satz eine Pause einlegen, um Luft zu schnappen,
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