Allem, was gestorben war
getroffen?«
»Ja, äh . ich glaub, ich hab sie letzte Woche getroffen.«
»Und dann ... dann hat der andere gesagt, der war ein bisschen kleiner, dass sie mich wahrscheinlich noch mal besuchen würden.«
»Wie bitte?«
»Sie haben gesagt, sie wollten dich besuchen, und dann wollten sie wiederkommen.«
Er sah sie an. Sah sie ängstlich aus?
»In dieses Haus?«
»Ja, hierher. Und zu mir. Sie haben gesagt, sie wollten mich noch einmal treffen.«
Als der Mann gegangen war, erhob sich Björcke, stellte sich ans Fenster und sah auf den ruhigen Verkehr auf dem Fluss.
Er stand lange da und sah nach Westen, folgte einem kleinen Schiff aus Osteuropa mit dem Blick, das auf dem Weg zum offenen Meer war. Er sehnte sich nach Osten, weit nach Osten. Gute Kontakte nach Südostasien hatten ihm den Schlüssel zu den neuen Wirtschaftsquellen der Zeit gegeben. China White, Südostasiens Antwort auf das Kokain, erreichte Europa in größeren Mengen denn je. Das reinste Heroin, das je hergestellt wurde.
Vor vier Jahren lief fast aller Schmuggel über das so genannte goldene Dreieck Thailand. Aber der Schmuggel hatte sich jetzt auf viele Routen über sechs, sieben Länder verteilt.
Indien war eins dieser Länder. Madras war eine dieser Städte. Die Burmesen hatten Madras entdeckt und setzten jetzt ganz auf die Stadt. Madras lag eigentlich günstiger als Bangkok. Die thailändische Hauptstadt war zum einen voller Rauschgiftpolizei aus aller Welt, zum anderen gab es dort immer weniger Rauschgift. Björcke gefiel Indien, das bisschen, was er davon gesehen hatte. Er mochte den kleinen dunklen Mann. Mit ihm konnte man gut Geschäfte machen.
Allerdings mochte er diesen kleinen ehemaligen Polizisten nicht, der jetzt im Privatleben anderer Leute herumschnüffelte. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, in seine Wohnung zu gehen. Aber in dem Augenblick hatten sie kaum eine andere Wahl gehabt. Es schien auch kein größeres Risiko gewesen zu sein. Je mehr Informationen der Kerl zusammentrug, desto mehr Feinde schaffte er sich. Wen würde er zuerst hochgehen lassen?
Fredrik Björcke massierte seine linke Schläfe und fixierte die Tür auf der anderen Seite des Zimmers. Die Kopfschmerzen hatten im letzten Jahr zugenommen, zusammen mit dem Erfolg. Vielleicht wäre es besser, auf diesem Niveau zu bleiben.
Was hatte die Frau gesagt? Warum war der Schnüffler dort erschienen? Zwei Fragen nacheinander, das war mehr, als er gewohnt war.
Er hob den Telefonhörer ab. Eine Warnung, eine verwirrende Warnung. Das rechte Maß von Plumpheit, so was war schwer.
Jonathan Wide kochte Tee. Sie tranken ihn in der Küche. Irgendjemand machte sich die Mühe, ihn darüber aufzuklären, dass er nicht anonym auf dieser Erde lebte. Der Versuch war auf einem gewissen anspruchsvollen Niveau unternommen worden und er spürte eine Bedrohung, gleichsam zielbewusst, sie schwebte über ihm und allem, was er tat, und das könnte . tja, wie könnte es enden? Er wusste es.
Jemand hatte die Möglichkeit gehabt, Tante Grethe zu schaden, ihn damit aber nur vorgewarnt. Er war nicht sicher, ob er den Sinn des Grußes der Fremden verstand.
Wide überquerte den Enghavevej und ging in den Kennedypark. Der kleine See darin war ganz still, draußen lag wie ein Floß eine kleine Insel. Die Trauerweide ließ ihre dichten blassgrünen Zweige übers Wasser hängen. In der Dämmerung hockten drei Dänen am hinteren Ende des Parks, Bierflaschen in den Händen. Worüber sie redeten, konnte er am Ufer, wo er stand, nicht verstehen. Er warf den Stein und zählte von eins bis vier, ehe der Stein im Wasser versank.
Der Stein hatte vier Millionen Jahre gebraucht, um das Ufer zu erreichen, und er hatte ihn innerhalb von vier Sekunden zurückgeworfen.
Als er den Park verließ und zur Rimmens Alle hinaufging, winkten ihm Schulmädchen aus einem Bus zu.
Die Sonne war untergegangen, aber die Wärme war geblieben. In Wides Hinterkopf hämmerte es, als würde die Wunde aufbrechen. Er hatte das Gefühl, als wäre nichts jemals vorbei. Die Wanderung über das Nagelbrett des Lebens ging weiter. Er sehnte sich nach Ruhe und Frieden. Das dachte er mit einem Lächeln.
War es die ewige Hitze, die einen an die letzten Fragen denken ließ? Wide hatte in den letzten Jahren häufig über die Existenz nachgedacht - oder war er nur mit jedem Jahr zynischer und desillusionierter geworden? Eine Zeit lang, als er so um die Mitte dreißig war, hatte er gemeint, sich nun endlich selbst zu kennen, zum ersten
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