Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)
Dickens & Smith …“ Mit ihrer Freundin im Schlepp stürmte sie in das Geschäft, und die nahm sich fest vor, eine Pause bei „Gunter’s“ einzulegen, was immer der Tag auch bringen mochte. Eine lange Pause.
Um vier Uhr am Nachmittag schleppten sich zwei sehr ermüdete junge Frauen hinauf in Talithas Zimmer und ließen sich auf das Bett fallen, inmitten von Päckchen, Schachteln und Taschen. Hinter ihnen ertönte schwach Annies Schnaufen, die sich mit weiteren Päckchen die Treppe hinaufkämpfte.
„Meine Füße!“, stöhnte Zenobia. Sie zog sich die Schuhe aus und wackelte vor Erleichterung seufzend mit den Zehen.
Aus ihrer liegenden Position auf der Matratze erhob sich Talitha auf einen Ellenbogen und grinste fröhlich. „Meine auch. Oh, danke, Annie. Leg sie einfach dort in die Ecke und bring uns bitte den Tee herauf.“ Sie schob die Kissen zu einem Haufen zusammen und lehnte sich dagegen. „Jetzt einen Tee und dann machen wir uns ans fröhliche Auspacken.“ Sie lächelte Zenobia verschwörerisch an. „Gib es zu, Zenna, es hat dir doch ein kleines bisschen Vergnügen bereitet.“
„Also … ja, das muss ich zugeben. Vielen Dank für das Abendkleid, die Schuhe und die Handschuhe. Es war ein gutes Gefühl, sich einmal so herauszuputzen. Aber wir haben so eine Unmenge an Sachen eingekauft – meinst du, du hast jetzt alles, was du brauchst?“
„Das glaube ich nicht eine Sekunde“, erwiderte Talitha mit dem Gedanken an die vielen Damenschlafzimmer, in die sie während ihrer Tätigkeit als Hutmacherin Einblick erhalten hatte. „Lady Parry wäre sehr enttäuscht, wenn sie nicht meine Einkäufe beaufsichtigen könnte. Nein, dies hier ist nur für den Anfang, damit ich mir in den ersten Tagen nicht so schäbig vorkomme. Mein alter Umhang und das Ausgehkleid liegen in den letzten Zügen, meine sämtlichen Strümpfe sind schon überall gestopft und an beiden Handschuhen gehen die Nähte auf.“
Sie schloss einen Moment die Augen und ließ die Ereignisse des Tages Revue passieren. „Es ist schön, einen freien Tag zu haben und die Möglichkeit, sich zu kaufen, was man möchte, aber ich bin froh, dass wir ein Geschäft haben, um das wir uns kümmern müssen, Zenna. Bei dem Gedanken an das Leben der gehobenen Kreise fühle ich mich gar nicht wohl. Nach dem, was ich gesehen habe, besteht es nur aus Luxus und Vergnügen. Ich würde mich über kurz oder lang furchtbar langweilen, wenn ich nichts hätte, worüber ich mir den Kopf zerbrechen kann.“
In die Gedanken an ihre neuen Kleider und Schuhe, Fächer und Federn schlich sich ungebeten das Bild eines hochgewachsenen, dunkelhaarigen, eleganten Gentlemans. Wie verbringt wohl ein Lord Arndale seine Tage, fragte sie sich. In Gesellschaft von Schauspielerinnen und Opernsängerinnen? Am Kartentisch? Bei Hahnenkämpfen und Ringkämpfen? Sie versuchte sich vorzustellen, wie die kühle, spöttische Miene dem Ausdruck von Leidenschaft, Erregung und Erwartung wich – vergebens. Seine Lordschaft war zweifellos ein Musterbeispiel für die gleichgültigen und reservierten Mitglieder der Gesellschaft, in deren Lebensweise sie hineinschnuppern würde. Es wäre amüsant, diese wie gemeißelt wirkenden Gesichtszüge aus der Fassung geraten zu sehen – oder ein Gefühl hervorzurufen, das weder beherrscht noch moderat war. Ein feines Lächeln stahl sich auf Talithas Gesicht. Sehr amüsant.
Zwei Tage später erklomm der infrage stehende Gentleman die Stufen des Hauses in der Upper Wimpole Street und sah sich unerwarteterweise beinahe dem gesamten Haushalt gegenüber.
Nick hatte einen anstrengenden Morgen mit seinem Verwalter verbracht, der mit einer ansehnlichen Liste an Problemen und Fragen, die gelöst werden mussten, von seinem Landsitz hergekommen war. Insgeheim hatte er die Befürchtung, bei Mr Dover am Nachmittag eine ähnlich lange Liste durchsehen zu müssen, bevor die Arbeit an Miss Gowers Testament zum Abschluss kommen konnte. Allerdings hatte er sich fest vorgenommen, den jungen William am Abend sich selbst zu überlassen – wie zweifelhaft dessen Pläne auch klingen mochten – und sich im kleinen Kreis einiger Freunde bei Dinner, Karten und einigen Flaschen gutem Brandy zu entspannen.
Er war jedoch von seiner Tante abgefangen worden, die ihn bat, bei Miss Grey vorbeizuschauen. „Sei so nett, mein lieber Nicholas, und sage ihr, dass ich sie Mittwochmorgen um zehn mit meiner Kutsche abhole. Und wenn du herausfinden
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