Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)
Hutschachteln“, fügte die Gouvernante trocken hinzu.
„Oh, ja, das habe ich ganz vergessen.“ Lächelnd wandte sie sich ihm zu. „Ich habe mich den Verlockungen des Einkaufens hingegeben.“
„Tatsächlich? Dann erstaunt es mich, dass Sie zusätzlich die Zeit gefunden haben, Ihren neuen Geschäftsinteressen nachzugehen.“ Bei diesen Worten beobachtete er nicht Talitha, sondern ihre Freundin und fing den überraschten und forschenden Blick auf, den sie ihm zuwarf. Zu seiner Enttäuschung blieb Miss Scott jedoch still.
„Ja, wenn man es gewohnt ist, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten, Mylord, findet man am Tag genügend Zeit fürs Geschäftliche. Einkaufen ist nicht übermäßig zeitraubend.“
„Ich befürchte, Sie werden Ihre Meinung ändern, nachdem Sie gesehen haben, wie meine Tante die Sache angeht.“
Talitha lächelte nur freundlich. Es war so mühsam! Jedes Mal, wenn er mit ihr sprach, hatte er den Eindruck, sie würde einen Teil von sich vor ihm verbergen und er würde nur kurze Einblicke in das Wesen der wahren Talitha Grey erhaschen. Jetzt musste er der Liste, die Tolliver für ihn überprüfen sollte, noch die Frage nach den Geschäftsinteressen hinzufügen.
Erst als Nick bereits auf halbem Weg die Stufen hinunter war, fiel ihm ein, sich zu fragen, warum er über diesen bestimmen Teil ihres Lebens Auskunft wünschte. Sie wurde von Dover und der Bank beraten und würde kaum etwas Unbesonnenes tun. Und selbst dann ginge es ihn nichts an, wie sie ihm während ihres Zusammentreffens bei „Gunter’s“ ja bereits so frostig erklärt hatte.
Er war niemand, der sich absichtlich selbst täuschte und tat es auch jetzt nicht. Alles über Miss Greys „Geheimnis“ herauszufinden mochte dem Wunsch entsprungen sein, seine Tante zu schützen. Jetzt jedoch hatte dieses Bedürfnis, das Geheimnis lüften zu wollen, einen gänzlich anderen Charakter angenommen. Nicholas Stangate lächelte reumütig, während er seinem Stallburschen zunickte und sich auf den Sitz seines Phaetons schwang. Es war zu einer persönlichen Angelegenheit geworden.
Für Talitha hatten die Begegnungen mit dem Earl of Arndale ebenfalls einen sehr persönlichen Beigeschmack. Sie verspürte Dankbarkeit, Wut, Angst und Sehnsucht in einer wilden Mischung, die bedenklich zu werden drohte.
Welches Gefühl jeweils überwog, hing stark davon ab, was er gerade sagte, ob er sie verärgerte oder ängstigte oder ob es sich um einen dieser flüchtigen Augenblicke handelte, an denen sich ihre Blicke trafen, miteinander verschmolzen und sie sich fühlte, als bestehe eine ganz besondere Verbindung zwischen ihnen. Dann fing ihr Herz wie wild an zu schlagen, und sie verspürte einen seltsamen Schmerz tief in ihrem Inneren. Das musste Angst sein. Angst davor, was er über sie herausfand, Angst davor, bloßgestellt zu werden. Wenn sie ehrlich war, befürchtete sie jedoch, dass es sich um etwas ganz anderes handelte, um ein rohes, uraltes Gefühl, noch dazu eines, das jungen Damen, besonders anständigen unverheirateten Damen, nicht zu fühlen erlaubt war.
Sie konnte nur froh sein, dass sie ihn während der ersten Woche, in der sie bei Lady Parry wohnte, nicht zu Gesicht bekam.
„Hast du Nicholas in letzter Zeit gesehen?“, fragte Lady Parry ihren Sohn am Mittwoch nach ihrem Einzug beim Frühstück.
„Hm?“ William schob die Zeitung beiseite, in der er zum Schein eifrig geblättert hatte, und legte nachdenklich seine Stirn in Falten. „Zwei … nein, drei Mal. Du kennst Nick doch, er schneit immer dann herein, wenn man am wenigsten mit ihm rechnet. Also, wann war das doch gleich? Oh, ja, er hat Samstag im ‚Waiter’s‘ vorbeigeschaut, als ich mit Hemsley und ein paar von den Jungs Karten gespielt habe. Dann ist er gerade rechtzeitig in ‚Jackson’s Saloon‘ aufgetaucht, als ich Jack eine fürchterliche Rechte verpasst habe. Das war Montagnachmittag.“
„Ist Jackson nicht der berühmte Faustkämpfer?“, fragte Talitha nach. „Und du hast es geschafft, ihn zu niederzuschlagen? Du meine Güte!“
„Um Himmels willen, nein.“ Lord William wurde rot wegen ihres Lobes, korrigierte sie jedoch eilfertig. „Niemand versetzt dem großen Jackson einen Schlag, wenn er es nicht zulässt, nein, es war Jack Hemsley.“
„Ach so. Trotzdem glaube ich, dass du recht gut sein musst, dass du Zutritt zu ‚Jackson’s Saloon‘ hast“, fuhr Talitha ermutigend fort. „Darf ich dich um die
Weitere Kostenlose Bücher