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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch
Autoren: Elly Griffiths
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sich darauf, Patin zu werden; sie hatte Ruth und Kate sogar ganz besonders ins Herz geschlossen, ein Umstand, der Nelson, wenn er darüber nachdachte, vor lauter Schuldgefühlen und düsteren Ahnungen fast Übelkeit verursachte. Und doch war er so blöd gewesen, diese Befürchtungen zu ignorieren. Er hatte auf einer katholischen Taufe bestanden, weil er selbst katholisch aufgewachsen ist und weil er sich mit Cathbads heidnischer Namensweihe, die ein paar Monate zuvor stattgefunden hatte, ausgesprochen unwohl fühlte. Mehr noch, er fürchtete, dass sie Kate damit Böses mit auf den Weg gaben, indem sie die gesichtslosen, blutrünstigen Götter anriefen, die Cathbad so verehrt. Er wollte ihr den Schutz der Engel und Heiligen seiner eigenen Kindheit sichern. Und so hatte er Ruth überredet, Kate taufen zu lassen, und Pater Hennessey, den katholischen Priester, den er von einem früheren Fall kannte, gebeten, die Messe zu halten. Und Ruth hatte eingewilligt, weil Patrick Hennessey auch bei ihr tiefen Eindruck hinterlassen hatte, und nicht zuletzt auch, vermutet Nelson, weil sie selbst wenige Wochen zuvor nur knapp dem Tod entronnen war.
    Zunächst war es auch ein freudiger Anlass gewesen. Es war ein wunderschöner Maitag, das weiß er noch, die Bäume blühten, und in der Luft lag schon ein Vorgeschmack des Sommers. Er hielt Kate im Arm (das dritte Mal), und Michelle, die eine Schwäche für Babys hat, war ganz in ihrem Element. Cathbad und Shona, die anderen Paten, benahmen sich nicht durchgeknallter als sonst auch. Hinterher waren sie in ein Pub auf dem Land gefahren und hatten Ruth und Kate auf dem Rücksitz mitgenommen. Während der Fahrt hatte Michelle noch fröhlich mit Ruth geplaudert, doch als Ruth ausgestiegen war, hielt Michelle Nelson mit herrischer Geste zurück. Sosehr er sich auch dagegen sträubt, er sieht ihr Gesicht immer noch vor sich. Ihre Miene war so eiskalt vor Zorn, dass ihm dafür nur die Beschreibung «furchterregend» einfällt.
    «Sie ist von dir, stimmt’s?»
    «Was?»
    «Kate. Sie ist von dir. Ich habe sie mir vorhin angeschaut, und sie hat einen kleinen Wirbel im Haar, der in eine ganz andere Richtung weist als der Rest. So einen Wirbel hast du auch. Und Rebecca.»
    Erst stritt er alles ab. Sie standen auf dem Parkplatz vor dem Phoenix und keiften sich an, während lauter glückliche Familien an ihnen vorbeimarschierten, um sich ein Mittagessen in der Sonne zu gönnen.
    «Du spinnst doch!», sagte er. «Was redest du denn da von einem Haarwirbel?»
    Michelle musterte ihn abschätzig. «Du brauchst dir gar nicht die Mühe zu machen, es zu leugnen. Es passt alles zusammen. Ich hatte mich sowieso schon gefragt, warum du immer so besorgt um Ruth bist. Ich dachte, du wirst auf deine alten Tage noch ein netter Mensch. So kann man sich täuschen.»
    Er versuchte, verständnislos zu wirken. «Was meinst du denn bloß, Schatz?»
    «Nenn mich nicht ‹Schatz›. Du hast mit Ruth geschlafen, sie hat ein Kind von dir gekriegt, und jetzt willst du alles abstreiten. Ich hatte keine Ahnung, Harry, dass du so feige sein kannst.»
    Und er ist tatsächlich feige. Das weiß er inzwischen. Sie mussten schließlich doch noch ins Pub gehen, auf Kates Wohl trinken und über Cathbads Späßchen lachen. Michelle, von spröder Schönheit in ihrem selbstgerechten Zorn, hat das Baby sogar auf den Arm genommen und nachdenklich den verräterischen Wirbel im dunklen Haar gestreichelt. Als sie wieder zu Hause waren, stellte Michelle ihm ein Ultimatum. Er dürfe Ruth und Kate nicht wiedersehen. «Aber wir arbeiten doch zusammen», protestierte er. – «Du weißt schon, was ich meine. Beruflich darfst du mit ihr sprechen, aber es darf nie, nie darüber hinausgehen.» Und er hatte eingewilligt.
    Ihm war immer klar gewesen, dass er seine Familie nicht zerstören, Laura und Rebecca nicht in hasserfüllte Fremde verwandeln und Michelle nicht in die uralte Klischeerolle der Exfrau drängen wollte. Obwohl seine Töchter inzwischen beide studieren, brauchen sie ihn immer noch. Sie brauchen ihre beiden Eltern, sie brauchen ein Zuhause. Und Michelle. Er hat sie praktisch sein ganzes Erwachsenenleben lang geliebt. Sie ist immer noch eine der schönsten Frauen, die er je gesehen hat, und sie ist die Mutter seiner geliebten Töchter. Wie könnte er sie jemals verlassen? Eine Zeitlang hat er sich der Phantasie hingegeben, beide Frauen haben zu können und alle drei Kinder, aber so funktioniert die Welt nun mal nicht. Doch indem er sein
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