Aller Heiligen Fluch
schießt laut bellend nach draußen. Ruth sieht gerade noch einen roten Blitz im hohen Gras verschwinden. Hoffentlich kommt Flint bald wieder. Sie macht sich daran, Kate aus dem Kindersitz zu holen, und hantiert dabei ungeschickt mit den Gurten.
«Kann ich dir helfen?», fragt Max. Er betrachtet Kate. «Sie ist wunderschön», sagt er leise.
«Und schwer», warnt Ruth, doch Max hebt den ganzen Kindersitz mit einer Hand aus dem Wagen. Während er hinter Ruth den Gartenweg entlanggeht, kann sie sich des Gedankens nicht erwehren, dass sie wie die Parodie einer Kleinfamilie wirken. Mutter, Vater, Kind, die von einem Ausflug nach Hause kommen. Und natürlich der Hund, der gerade aufgeregt zwischen den Brombeerbüschen herumschnüffelt, und die durch Abwesenheit glänzende Katze. Ruth schließt die Tür auf und schiebt mit dem Fuß die Post beiseite. Klaudia stürmt vorweg in die Küche, und Ruth hört, wie sie geräuschvoll aus Flints Wassernapf trinkt.
«Soll ich Kate nach oben bringen?», fragt Max.
Das geht nun doch zu weit. Max war zwar schon ein paarmal im Haus, aber noch nie oben. Kein Mensch kommt je nach oben, bis auf Nelson in jener einen Nacht, und, wie sie inzwischen weiß, Judy und Cathbad. Außerdem hat Ruth ihr Bett nicht gemacht.
«Das schaffe ich schon», sagt sie. «Mach du es dir einfach bequem.»
Im Schlafzimmer zieht Ruth Kate die oberste Schicht Kleider aus und legt sie in ihr Kinderbett, das neben ihrem eigenen steht. Es gibt zwar noch ein Zimmer, das inzwischen sogar fast von Umzugskisten befreit ist, doch merkwürdigerweise zögert Ruth, Kate dorthin umzusiedeln. Sie hört sie nachts gern atmen, und außerdem ist es viel bequemer, einfach hinüberzugreifen, wenn Kate aufwacht, und sie aus dem Bett zu nehmen. Oft schlafen sie dann zusammen in Ruths Doppelbett, was von den Baby-Ratgebern natürlich schwer getadelt wird.
Hastig streicht sie die Bettdecke glatt und überlegt kurz, ob sie etwas Parfum aufsprühen soll. Nein, das ist zu offensichtlich. Sie kämmt sich die Haare und betrachtet sich kurz im Spiegel. Sie ist es nicht gewöhnt, sich zu betrachten – richtig zu betrachten und nicht einfach nur zu überprüfen, ob ihr auch nichts zwischen den Zähnen hängt. Helle Haut, rote Wangen, braunes Haar. Wenn sie bloß solche Wangenknochen wie Shona hätte! Überhaupt würde sie sich für heute Abend gern Shonas Gesicht ausleihen. Ruth hat schon oft zu hören bekommen, dass ihr Lächeln das Schönste an ihr ist, doch wenn sie in den Spiegel schaut, lächelt sie nie, das hilft ihr also auch nicht weiter. Jetzt blickt sie sogar ausgesprochen finster, während sie mit der Bürste durch ihr widerspenstiges Haar fährt. Nicht einmal eine Frisur hat sie, so wie andere Frauen, denkt sie gallig. Ihr Haar fällt einfach so bis zu den Schultern, mittelbraun und leicht lockig, wie es schon in ihrer Kindheit war. Im Lauf des letzten Jahres hat sie das eine oder andere graue Haar entdeckt. Bald wird sie eine grauhaarige alte Hexe sein, die allein mit ihrer Katze zusammenlebt und an Halloween den Kindern Angst macht. Darauf zumindest kann sie sich freuen, und als sie sich vom Spiegel abwendet, lächelt sie.
Unten hat Max inzwischen das Essen vom China-Imbiss aus dem Wagen geholt und auf den Tisch gestellt. Auch den Wein hat er geöffnet und sogar Gläser ausfindig gemacht. Klaudia liegt hechelnd vor dem Kamin. Flint kommt durch die Katzenklappe herein und stolziert betont langsam, fast herausfordernd, an ihr vorbei. Klaudia beobachtet ihn mit glitzernden Augen.
«Ist das gut so?», fragt Max. «Ich wollte es noch nicht auspacken, damit es nicht kalt wird.»
Und mit einem Mal ist es tatsächlich gut so. Ruth fühlt sich überhaupt nicht mehr befangen. Sie trinken Wein und essen knusprige Peking-Ente und reden über Cathbad, die Aborigines, Brighton, Norfolk, die Schwulenbewegung, die Traumzeit, Räucherrituale, Universitätspolitik und die Unterschiede zwischen Katzen und Hunden. Über die Vergangenheit reden sie nicht und auch nicht darüber, dass sie einmal schon fast eine Beziehung begonnen hätten, die dann durch eine Entführung und einen längst verjährten Mord verhindert wurde. Sie reden auch nicht über Nelson und Kate. Nur einmal sagt Max, dass es seltsam ist, sie mit einem Kind zu sehen.
«Mir kommt es auch seltsam vor», sagt Ruth. «Ich fühle mich immer noch nicht wie eine Mutter, eine von diesen Frauen, die alles schaffen. Du weißt schon, Kinder kriegen, Kuchen backen, Kartoffelstempel
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