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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch
Autoren: Elly Griffiths
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für ein süßes Baby», sagt Maureen. Bei ihr klingt es wie «Babby». Sie hat einen starken irischen Akzent, was Ruth nun gar nicht erwartet hat.
    «Fahren Sie lieber wieder heim mit dem Baby.» Maureen macht es sich am Bett ihres Sohnes bequem. «In so einem Krankenhaus wimmelt es nur so von Keimen.»

[zur Inhaltsübersicht]
    31
    Ruth will noch nicht nach Hause. Sie ruft Sandra an, um ihr zu sagen, dass sie Kate heute nicht bringen wird, dann gehen sie zum Frühstücken in die Cafeteria des Krankenhauses, eine unwirkliche Welt voller Patienten, die am Tropf hängen, und Pflegepersonal, das gerade die Nachtschicht beendet. Ruth trinkt schwarzen Kaffee und isst Spiegeleier mit Speck, Kate knabbert an einem Stück Toast. Anschließend nimmt Ruth Kate mit an die Uni. Als sie dort ankommen, ist die Hölle los.
    Der Naturwissenschaftstrakt ist abgeriegelt, und auf dem Campus-Gelände stehen Studierende und Dozenten herum, die zu gleichen Teilen verängstigt und fasziniert wirken. Ruth hört etwas von Paketbomben, von Anthrax-Sporen, von maskierten Männern, die bei Nacht die Mauern erklommen haben. Die Studenten tippen alle auf ihren Smartphones herum und aktualisieren ihren Facebook-Status:
Bombendrohung an der Uni!!!
    Phil, der unter einem Baum sitzt und eine Banane verdrückt, erzählt Ruth allerdings etwas anderes.
    «Eine
Schlange

    Ruth fühlt sich wie Medusa: den ganzen Kopf voller Schlangen. Sie muss an Bob Woonunga denken.
Die Schlange ist das Totem meines Stammes.
Auch die Gedichte über die Regenbogenschlange fallen ihr wieder ein und die steinerne Ringelnatter unter dem Fuß des Bischofs Augustine.
    «Anscheinend irgendeine Otter», sagt Phil. «Einfach so in einer Versandtasche. Sie vermuten, dass militante Tierschützer dahinterstecken.»
    Kate zeigt auf die Banane. «Haben!» Phil lacht und bricht ein Stück für sie ab. Er ist bester Laune und scheint sich wieder vollständig von seiner Grippe erholt zu haben. Ruth schämt sich ein wenig für Kates energisches Vorgehen, ist aber zugleich beeindruckt, wie schnell sie Phil um den Finger wickelt. Ruth hat es selbst noch nie geschafft, dem Institutsvorstand ihre Wünsche so unmissverständlich klarzumachen.
    «Und du rätst nie, an wen sie adressiert war», sagt Phil.
    Das Schlimme ist: Ruth glaubt durchaus, es erraten zu können.
    «Doch nicht an Cathbad?»
    «O doch. Seit heute Morgen sucht die Polizei fieberhaft nach ihm. Weißt du zufällig, wo er steckt?»
    «Nein», sagt Ruth. Sie hat nicht vor, Phil zu erzählen, dass Cathbad derzeit bei ihr im Gästezimmer seinen Drogentrip ausschläft. «Aber er wird schon wieder auftauchen.»
    «Tut er ja immer, stimmt’s?» Phil steht auf und klopft sich das Gras von der Hose. «Na, anscheinend machen sie jetzt wenigstens die Türen wieder auf.»
    Die Veranstaltungen für den Tag sind alle abgesagt, und Ruth geht mit Kate in ihr Büro hinauf, um ein paar Examensarbeiten zu holen. Bisher hat sie der Versuchung stets widerstanden, ihre Tochter mit in die Uni zu nehmen. Nach Kates Geburt gab es zahllose Aufforderungen von weiblichen Lehrstuhlmitarbeitern (und natürlich von Phil), doch Ruth hat gezögert, diese beiden Seiten ihres Lebens zu vermischen. Aber als sie jetzt zusieht, wie Kate durch das Büro tapst und Bücher aus den Regalen zieht, fühlt es sich merkwürdig richtig an, sie hier zu haben. Denn ob sie nun will oder nicht: Ruth ist inzwischen beides, Archäologin und Mutter. Sie lächelt und bringt eine kleine Feuerstein-Axt aus Kates Reichweite.
    Debbie, die Institutssekretärin, bietet sich an, mit Kate in die Cafeteria zu gehen. Eigentlich ist Ruth ja der Ansicht, dass Kate heute schon mehr als genug Aufregung hatte, aber alle sind so wahnsinnig nett, dass sie es einfach nicht ausschlagen kann. Es herrscht eine fiebrige, unwirkliche Atmosphäre im Gebäude. Kein Mensch arbeitet; alle stehen herum und reden über Giftschlangen und Paketbomben. Selbst ein paar emeritierte Professoren, die Ruth seit Jahren nicht mehr gesehen hat, sind aus ihren Löchern gekrochen, um sich in die fröhlichen Gespräche über Tod, Mord und schwere Körperverletzung einzuschalten. Phil ist ganz in seinem Element, tätschelt hier und da beruhigend eine Schulter und prahlt mit seinen Kontakten zur Polizei.
    Nachdem Debbie mit einer völlig überdrehten Kate auf dem Arm abgezogen ist, durchwühlt Ruth ihren Schreibtisch nach Hausarbeiten und Vorlesungsskripten. Unter einer Promotionsschrift mit dem Titel
Syphilis,
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