Alles auf Anfang! (German Edition)
starrte Lisa aus dem
Fenster. Zeitgleich hatte draußen der Regen aufgehört und die Sonne blinzelte
durch die Fenster. Das war ein Zeichen!
"Ich frage mich gerade, wann ich das
letzte Mal so ausgelassen gelacht habe. Meine Bauchmuskeln melden sich zu
Wort!"
"Mir tat das jetzt auch richtig gut!
Ich hatte bis eben ziemlich schlechte Laune. Meine Zugehfrau hat sich heute
morgen krank gemeldet. Das wirft mir meine ganz Planung durcheinander."
Sie winkte ab.
"Naja, Schwamm drüber! Nett, dich
kennenzulernen. Ich heiße übrigens Lydia, mit 'y'! Mir gehört der Laden hier
und ich glaube, wir beide haben uns jetzt eine gute Tasse Kaffee verdient. Was
hältst du davon?"
"Sehr verlockend! Aber ganz ehrlich?
Mein erster Arbeitstag hat vor einer halben Stunde begonnen und heute ging von
Anfang an alles schief. Ich muss wirklich ganz dringend telefonieren!
Vielleicht brauche ich mich gar nicht mehr an meinen Arbeitsplatz begeben, dann
habe ich Zeit für ein ausgedehntes Frühstück."
Lisa streckt Lydia die Hand entgegen.
"Ich bin übrigens Lisa Seiler und wohnte
gleich um die Ecke. Naja, um zwei Ecken ..."
Lisa sah sich suchend um.
"Das Telefon hängt in der Küche.
Kannst ruhig durchgehen! Und falls dein Arbeitgeber dir den Laufpass gibt,
kannst du bei mir als Putzfrau anfangen!"
„Haha, sehr witzig!“
„Scherz!“
Lisa verschwand hinter der weißen
Schwingtür und wählte klopfenden Herzens die Nummer ihres neuen Arbeitgebers.
"Lichtenfels Privatbank, Santorius am
Apparat, was kann ich für Sie tun?"
Das war die Sekretärin der
Geschäftsleitung. Lisas Herz hämmerte wie verrückt. Sie war versucht
aufzulegen, riss sich aber zusammen und meldete sich mit belegter Stimme.
"Guten Morgen, Frau Santorius! Hier
spricht Lisa Seiler. Ich habe doch heute meinen ersten Arbeitstag bei Ihnen. Es
ist mir entsetzlich peinlich, aber ausgerechnet heute habe ich mich aus meiner
Wohnung ausgesperrt. Alles geht heute schief!"
"Frau Seiler, jetzt beruhigen sie sich
mal! So tragisch ist das nicht. Solche Situationen kennen wir doch alle. Das
ist wirklich kein Beinbruch. Wird ja nicht jeden Morgen passieren, gell!?"
"Nein! Natürlich nicht!"
"Ich suche Ihnen schnell mal die
Nummer vom Schlüsseldienst raus und dann kommen sie in aller Ruhe hierher. Herr
von Lichtenfels hat gerade einen wichtigen Kunden und musste ihre persönliche
Begrüßung sowieso verschieben. Sie sehen also, alles nicht so tragisch!"
Frau Santorius entging der erleichterte
Seufzer der neuen Mitarbeiterin nicht. Sie musste schmunzeln und fühlte sich
stark an ihren ersten Arbeitstag erinnert, der auch nicht gerade reibungslos
verlief.
"Melden Sie sich bitte in meinem Büro,
wenn Sie im Hause sind!"
Lisa bedankte sich, nahm dankbar die Nummer
des Schlüsseldienstes entgegen und versprach, sich zu beeilen.
Lydia kam ohne Zögern mit einem Tablett auf
sie zu und bedeutete Lisa, sich zu setzen. Mit fragendem Blick stellte sie Lisa
ein großes Haferl Kaffee hin, das sie sofort dankbar mit beiden Händen
umschloss. Erst jetzt merkte Lisa, wie durchgefroren sie schon war. Der Kaffee
roch köstlich und schenkte ihr ein Stück Behaglichkeit.
"Alles in Ordnung?", fragte Lydia
zögernd.
"So ein erbärmlicher Start! Wenn das
mal kein schlechtes Omen ist! Aber die Sekretärin war wirklich nett, irgendwie
mütterlich."
Lydia kniff Lisa vielsagend ein Auge zu.
Sie wirkte fast knabenhaft mit ihrer strubbeligen Kurzhaarfrisur. Erst jetzt
hat Lisa die Muße, ihre neue Bekanntschaft genauer in Augenschein zu nehmen.
Lydia war geschätzte achtunddreißig Jahre alt und zierlich. Ihre riesigen
silbernen Ohrringe wirkten wie Affenschaukeln und wippten bei jeder
Kopfbewegung eifrig mit. Die schwarzen Haare wirkten gefärbt. Lisa hätte wetten
können, dass Lydia alle zwei Wochen ihre Haarfarbe wechselte. Ihr Zottelpulli
war mit Sicherheit selber gestrickt und wirkte in lila leicht überholt.
Wahrscheinlich besaß Lydia auch noch eines dieser roten oder schwarzen
Arafat-Tücher, die in den Siebzigern so modern waren. Begriffe wie
Dinkelstangen, grüner Tee und Frauenforum kamen ihr in den Sinn. Lydia war ihr
sehr sympathisch. Eine ganz andere Welt, aber gerade deshalb so interessant,
sprühend vor Lebensfreude. Eine unglaubliche Aura ging von dieser Frau aus, ein
inneres Strahlen, das Lisa irgendwann abhanden gekommen war. Eines war sicher,
mit Schminke und Klamotten konnte man eine solche Ausstrahlung nicht erzielen.
Das musste tief aus dem Inneren kommen. Lydia
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