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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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sind gestern vier Leute untergeschlüpft. An die bin ich geraten wie eine Jungfrau zum Kind. Die sitzen bei mir auf dem Fußboden, paffen Dope wie die Bekloppten und diskutieren über Unsinn und Politik. Einen von denen kenne ich entfernt und der hat mir die Typen angeschleppt. Ich hab zwar gesagt, ich könne niemanden beherbergen, aber die waren echt hartnäckig und haben heftig gebettelt. Es ist besser, ihr kriegt nichts mit denen zu tun. Die sind zwar harmlos, aber ein bisschen ...« Sie tippt sich vor die Stirn. »Ich hoffe, die verduften heute Abend oder morgen im Laufe des Tages, bevor sie mir den Kühlschrank leergefressen haben.« Sie lacht hart.
    Also sitzt du mal wieder in der Tinte!, denkt Gina.
    »Wie lange bleibt ihr noch in Frankfurt?«, fragt Angelika.
    »Noch zwei Tage«, sagt Gina.
    »Super! Dann treffen wir uns morgen.« Angelika klatscht begeistert in die Hände und in diesem Moment sieht sie wieder so jung aus, wie Gina sie in Erinnerung hat. »Oder?«
    »Ja, morgen!«, bestätigt Gina und fragt sich, ob sie sich und Geli einen Gefallen damit tut. Auf dem Wege der Freundschaft soll man kein Gras wachsen lassen, aber hier, stellt Gina fest, steht es schon so hoch, dass man sich kaum noch erkennt.
    Als sie in der Dunkelheit zum Bus gehen, beschleicht Gina ein dunkles Gefühl, wie stets, wenn sie negativen Einflüssen ausgesetzt ist, wenn Skepsis sich ihrer Gefühlswelt bemächtigen will. Halte dich fern vom Grau – hatte eine der Maximen ihrer Therapeutin gelautet! So wirst du immer überleben.
    Das hat man davon, wenn man sich mit der Vergangenheit befasst. Das enttäuscht, da kommt nur Müll bei raus!
    Dabei hat Angelika sich doch gar nicht verändert. Die war schon immer etwas bekloppt.
    Aber sie, Gina, ist nicht mehr dieselbe und deshalb passt es nicht mehr zusammen, wie Puzzleteilchen, die ausgefranst sind und knitterig.
    Wäre Otto bei ihr, ginge es ihr besser.
    Sie vermisst diesen Mann, der ihr die Nerven stiehlt, wenn er eifersüchtig ist und der sie, wenn er seine Minderwertigkeitsgefühle im Griff hat, auf Händen trägt.
    Ich liebe dich, weil du ein guter Mann bist, sagt sie ihm in Gedanken und sie sieht sein glattes Gesicht vor sich, die großen fragenden Augen, die er normalerweise hinter dicken Brillengläsern verbirgt und die richtiggehend niedlich wirken, wenn sie kurzsichtig in die Welt schauen, das schmale Lächeln eines zu groß geratenen Jungen, die Gesichtszüge etwas weich für einen Mann, der immerhin zwölf Jahre älter ist als sie, was ihm die markante Komponente abgehen lässt und ihn dabei so sehr von Männern, wie beispielsweise Frank Wille unterscheidet; sie schätzt seine Vernunft, wenn es darum geht, auf sich achtzugeben, nur mäßig zu trinken und zu rauchen. Er gibt ihr, was sie braucht: Beständigkeit, Redlichkeit und Treue. Er unterstützt ihre Pläne, formt mit ihr gemeinsam die Grundrisse ihrer Zukunft, lässt sie walten und genießt gemeinsam mit ihr die beruflichen Erfolge. Bei ihm darf sie eine moderne Frau sein.
    Und bei ihm darf sie nein sagen.
    Er lässt sie in Ruhe, ohne die Erfüllung seiner Lust je zu erzwingen.
    Bisweilen, selten, kaum einmal lässt sie es mit sich geschehen und er stöhnt seinen Trieb in ein Kissen, damit er nicht in ihre starr geöffneten Augen blicken muss. Später, wenn sein Begehren kaum gestillt, so doch gekühlt ist, kann es sein, dass er mit ihr gemeinsam weint und sie verbrennt bald an seiner Trauer darüber, dass sie sich ihm nicht wahrhaftig geben kann.
    Oh, wie sie ihn dafür liebt.
    Könnte sie ihm doch helfen ...
    Und ganz weit in ihrem Kopf hört sie seine angenehm warme Stimme, die ein Garant für gute Versicherungsverkäufe ist, beredt, geschickt, umgarnend.
    Kopf hoch, Darling!, hört sie ihn sagen. Gibt es etwas Schöneres als einen milden Frühlingsabend?
    Deshalb bin ich mit dir zusammen!, denkt sich Gina. Du liebst mich so, wie ich bin! Und es ist besser zu sehen, als in jener Dunkelheit zu versinken, die tief in mir lauert, gefangen im Geschirr therapeutischer Dressur.
    Denn eines weiß Gina genau: Falls sie in ihrer Liebe zu ihm, Otto Jäckel, einäugig ist – im Hass auf ihren Vater ist sie blind!
    Innen drinnen sind Otto und sie Topf und Deckel und ergänzen sich ideal.
    Ja, verdammt noch mal! So ist es und das ist gut so!
    Regina atmet tief und lächelt still.
     

3
     
    Fliegeralarm über Berlin!
    Geschwätz! Der Krieg ist vorüber, aber es sind die Stadtsirenen, die zur Kontrolle regelmäßig alle drei,

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