Alles auf Anfang: Roman (German Edition)
halten und man hört den Bergmann, der fünfzehn Jahre unter Tage war. »Tja, ja, das wird nicht einfach, woll? Das wird gewiss nicht einfach, aber ...« Er wuchtet sich hoch und streckt Frank die Hand hin. »Aber was soll’s? Wer dem Berg trotzt, den kann so schnell nichts niederschmettern, woll? Ich versprech euch nix! Ein bisschen müsst ihr euch schon noch gedulden. Einen oder zwei Tage brauche ich, um den Stempel zu setzen.«
»Wie groß ist die Chance, dass Sie das hinbekommen?«, hört sich Lotte mit piepsiger Stimme fragen.
»Halbe-halbe, aber nur, wenn du Rechtsausleger bist, wie der alte Maxe sagen würde, woll?«, grummelt Stoltefuss und grinst mit fetten Lippen.
»Woll«, erwidert Frank und reicht Stoltefuss die Hand, auch Lotte erhebt sich. Die Finger des Knappschaftsältesten sind fleischig und heiß und Lotte ekelt sich.
Draußen holt sie tief Luft.
Frühlingsluft.
Fünfundsechzigtausend zuzüglich der Spende an Stoltefuss sind siebzigtausend Mark. Immer noch zehntausend zu viel.
»Kannst du dich noch an die Police erinnern, die wir bei Otto abgeschlossen haben?«, fragt Frank und Lotte hakt sich bei ihm unter. Es weht ein leichter Wind, es herrscht eine heitere Stimmung, die einen Neubeginn verheißt.
»Die brauchen wir sowieso, wenigstens die zwanzigtausend, die wir eingezahlt haben«, erklärt Lotte.
»Wir benötigen die Police als Sicherheit für die Bank. Wie mir die Sachbearbeiterin erklärte, könnte eine Hundertprozent-Finanzierung vereinbart werden. Somit benötigen wir keinen Pfennig Eigenkapital. Ich werde dafür sorgen, dass der Gesamtwert des Hauses von Stoltefuss mit achtzigtausend Mark angegeben wird. Dieses Geld erhalten wir von der Bank. Wir bezahlen fünfundsechzig, geben Stoltefuss weitere fünf und haben noch zehntausend für Möbel und einen kleinen Gebrauchtwagen übrig.«
»Und du bist sicher, dass das so funktioniert?«
»Na klar! Ottos Anlagegesellschaft muss uns lediglich den Wert der Police bestätigen. Damit steht und fällt der Kauf. Wie gesagt, auch wenn die Police nicht ausgezahlt werden muss – auf dem Papier ist sie Bares wert. Wir sollten gleich die Berliner Rück anrufen und um Information bitten, wie es um unsere Police steht.«
»Otto könnte sich darum kümmern.«
»Lass’ uns das ganz offiziell machen. Wir sollten Otto damit nicht belästigen. Außerdem würde er fragen, wofür wir das Geld, beziehungsweise die Policenbestätigung, benötigen. Ich finde, die Familie sollte noch nichts von unseren Plänen erfahren.«
»Ich weiß nicht«, zögert Lotte und bleibt stehen. »Das klingt alles verlockend, klingt alles viel zu gut. Bist du sicher, dass da nichts schief gehen kann?«
»Was soll schief gehen?«
»Zum Beispiel, dass Stoltefuss die Genehmigung nicht kriegt und wir letztendlich doch noch in die Röhre schauen.«
»Was du immer so meinst.«
»Also Frank ... ich freue mich erst dann, wenn ich’s schwarz auf weiß habe.«
»Ja, ja, denn das kannst du getrost nach Hause tragen, nicht wahr?«
»Ich mein’s ernst, Frank. Ich habe keine Lust, mich zu freuen, wenn alles noch in der Schwebe ist. Ich habe bei der Sache ein unangenehmes Gefühl. Als wenn noch was Schlimmes passiert.«
Frank beugt sich zu ihr herunter und drückt ihr einen dicken Kuss auf die Lippen. »Nun unke nicht. Was soll schon passieren?«
»Wir müssen unsere Wohnung kündigen. Das geht nicht von heute auf morgen. Wir haben Fristen einzuhalten.«
»Kein Problem.«
»Und wenn was dazwischen kommt, falls wir das Haus aus irgendeinem Grund nicht kaufen können, dort nicht einziehen können, stehen wir ohne Bleibe da. Dann sind wir obdachlos und müssten bei Otto und Gina in Berlin unterschlüpfen, bis wir was Neues gefunden haben.«
»Es lebe der Pessimismus. Ist dir eigentlich klar, dass ich in der letzten halben Stunde zehntausend Mark verdient habe?« Frank grinst wie ein Honigkuchenpferd, und Lotte streicht ihm über das Haar. Vielleicht hat er ja Recht. Vielleicht ist sie wirklich zu pessimistisch, außerdem kriegt sie jeden Moment ihre Tage und Vollmond ist außerdem. Da kommt einiges zusammen. Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und schlingt ihre Arme um ihn. Ein älteres Paar geht vorbei und räuspert sich pikiert.
»Du bist ja ein ganz Schlimmer«, flüstert Lotte an seinem Ohr. »Kann es sein, dass ich gerade miterlebt habe, wie du unseren Vertrauensobmann bestochen hast?«
Frank kichert in ihrem Haar und drückt sie an sich. »Unser Leben wird gut. Wir
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