Alles auf Anfang: Roman (German Edition)
Türken und auch ein paar Deutsche Backgammon spielen werden, da ist Herr Latuchte, der vor seinem Friseurgeschäft Zur Schere auf Kunden wartet, korrekt im grauen Kittel und die Schere lugt oben aus der Tasche, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, eine Straße weiter ist die Einfahrt zur Zeche Kruse/Konstanzia und der Förderturm, gleich daneben die Kneipe von Frida und Päule, hier rechts Doktor ‚Sitz’ Wendsbach, bei dem man in Nullkommanix einen gelben Schein kriegt, weil der ein Herz für Blaumalocher hat und weiter östlich der neue Konsum, ein Kaufpalast, in dem es alles gibt.
Nun ist sie in der Siedlung Helene, da, wohin sie von Beginn an wollte, vor dem Haus, das soeben renoviert wird, das sie, die Willes, kaufen werden, für 105.000 Mark. Es ist nicht viel los hier, alles ganz still und überhaupt kann sie im Nebel kaum etwas erkennen, die Stimmen der Arbeiter klingen wie weit entfernt hinter dicken Vorhängen.
In der Nähe bellt ein Hund, der in das weiche Grau schnappt und nur noch seiner Nase vertraut und ein Moped knattert im Schleichtempo vorbei.
Lotte geht auf die Baustelle, ganz vorsichtig, damit sie nirgendwo abrutscht, und findet den Eingang. Drinnen klärt sich alles und sie sieht, was gemacht wird.
Bauarbeiter, Maler, Installateure, Elektriker, sie alle sind fleißig am Werkeln.
Einer der Männer nickt ihr freundlich zu, ein anderer grinst und klatscht Verputz an die Wand. Alles riecht nach Farbe und nach Feuchtigkeit und nach Mörtel und überhaupt gut und frisch und nach Zukunft. Kaum zu glauben, dass dies mal ein Zweifamilienhaus war. Von innen ist alles nagelneu, sogar eine elegant geschwungene Treppe mit Holzläufen führt ins Obergeschoss. Mmmmh, wie das duftet!
»Kann ich watt für Ihnen tun?«, taucht wie aus dem Nichts ein Mann neben Lotte auf, dicker Bauch, wollige braune Haare, eine Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen, helle, freundliche Augen. »Ich bin der Polier, gestatten Kogeler!«
Was immer ein Polier auch sein mag, dünn ist er jedenfalls nicht, denkt sich Lotte und antwortet: »Ich – ich wollte mir das anschauen.«
»Nur zu, junget Frollein«, blinzelt der Polier. »Dann komm se man mit. Also dat hier rechts is die Küche.«
Zu klein, aber gemütlich, resümiert Lotte, die sich tatsächlich jung fühlt, und passt auf, dass ihre Schuhe im weißen Staub nicht dreckig werden.
»Hier der Flur und dort dat Wohnzimmer«, setzt der Polier seine Führung fort.
Riesig viel Platz für Bücherregale, ein Aquarium, alle Möbel und noch viel mehr. Da muss ein Raumteiler her, entscheidet Lotte, sonst geht das nicht und dann hat’s auch noch zwei Fenster, große Fenster, auf jeder Seite des Zimmers, eines zur Straße und eines zum Garten, viel Fläche zum Reinigen, aber macht ja nichts!, macht überhaupt nichts!, ist Lotte begeistert.
»Na, und denne will ich Ihnen auch noch den Kluh zeigen, Fräulein, nämlich datt kleine Pöttchen.«
»Wie bitte?«
»Na, ein Klo nur für Besuchers, also datt Feinste von datt Feinste überhaupt. So richtig watt für feine Pinkels.«
Eine Gästetoilette!
»Wollen se auch noch mit nach oben? Da machen se Ihnen aber die feinen Schühkes dreckig, Frollein. Sind drei Schlafzimmers und ein Badezimmer mit Heißwasserboiler und Gasanschluss und allem Schnick und Schnack.«
»Nein, danke« Lotte hat genug gesehen und ihre Schuhe will sie sich tatsächlich nicht versauen, denn überall ist es weiß, staubig, Holzlatten liegen herum und Eimer stehen auf wackeligen Untergründen. »ÈWie lange wird es noch dauern?«
»Bis allet fettich is?«
»Ja, bis alles fertig ist.«
»Fettich isses in sechs bis acht Wochen - oder watt meint ihr, Männer?«, brüllt der Polier unversehens los.
»Na klar!«
»Jooh, jooh!«
»Keine Frage, Chef!«
»Na klaro!«
Platsch, den Putz an die Wand und es bröselt auf die Abdeckzeitung.
Der Polier ist zufrieden und sein Dreifachkinn wabbelt fröhlich. »Hören se! Allet keine Probleme nich! Aber warum wollen se datt wissen?«
»Weil ...«
»Na, lassense mich mal raten. Ah – se kaufen dat Häusken, isset so?«
»Ja«, nickt Lotte und sie ist stolz, so stolz. »Ja, wir ziehen im Sommer hier ein.«
»Na, Frollein ... dann werden wir noch ein bissken besser arbeiten, oder Männer?«, brüllt er erneut los.
»Klaro, Chef!«
»Joooh, jooh!«
Beifälliges Murmeln, einstimmiges Kopfnicken wie vorhin.
»Hören se? Alles keine Probleme nich. Für eine schöne Dame machen wir ganz besonders korrekte
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