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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Arbeit. Da soll man keiner nich sagen, datt wir pfuschen. Deutsche Wertarbeit, datt sach ich Sie.«
    »Danke«, sagt Lotte und reicht dem Polier Kogeler die Hand.
    »War mich eine Freude«, verbeugt der Mann sich und seine braunen Wuschelhaare sind obendrauf voller Staub und Mörtelkrümel.  Lotte beschließt, den Männern beim nächsten Mal ein paar Flaschen Bier mitzubringen.
    »Seien se vorsichtig, Frollein, datt se Ihnen nich hinfallen«, warnt der Polier sie noch, dann zieht der Nebel seinen Vorhang über die Bühne.
    Schade, denkt Lotte, so kann sie den Garten nicht bestaunen, aber auch das wird sie beim nächsten Mal tun, denn sie wird noch oft hier sein, neugierig schauen, wie die Arbeit vorankommt, den Männern ein paar selbst gebackene Kekse mitbringen oder Buletten und Bier. So schreitet sie innerlich jubilierend aus, während beißende Angst ihr Glück annagt.
    Was, wenn etwas dazwischen kommt?
    Was, wenn?
    Wenn?
    Spätestens jetzt merkt sie, wie sehr sie das Haus will, es besitzen will! Hier wohnen will!
    Jahrelang haben sie sich krumm gemacht, haben gespart und gespart, malocht wie die Besessenen, haben die Kinder vernachlässigt – was das Schlimmste war! - und zwei grauenvolle Jahre mit Oma Käthe verbracht; jahrelang haben sie ihren Traum geputzt wie ein wertvolles Gefäß, das sie nach und nach mehr und mehr gefüllt haben.
    Es ist Zeit für den Zieleinlauf, Männeken!, würde Oskar sagen und Lotte ist so gutgestimmt, dass sie sogar gedenk des Kugelrunden ihre gute Laune behält, obwohl Frank es im Beisein seines Saufkumpans mal wieder übertreiben wird und sie hat am nächsten Tag das heulende Elend am Halse. Im Gegenteil – sie freut sich schon, Oskar, oder wen auch immer, sogar Muttel wäre ihr recht, bei ihrer ersten Grillfeier im Garten in diesem Sommer zu bewirten. Und Rampfs lädt sie auch ein, weil die immer so nett sind und ihr Stühle, das Telefon oder ihr Ohr leihen.
    Am Tor der Kleingartenanlage Lebenfreude Bergborn verhält sie einen Moment, erinnert sich an jene Nacht, in der sie alle zum Flaggenklauen unterwegs waren und daran, dass Frank die Flaggen in der nächsten Nacht wieder aufgehängt hatte und an das Foto, das den Dieb um Haaresbreite enttarnt hätte. Stimmt es, dass das Foto berühmt geworden ist? Im neuen Haus werden sie eine Tageszeitung abonnieren, damit sie noch besser wissen, was in der Welt los ist!
    Ihre Gefühle sind gemischt wie Gummibärchen. Stets mochte sie die roten Bärchen am liebsten. Und nun sucht sie in der knisternden Tüte ihrer Gedanken nach dem Kirschgeschmack und fährt hoch, als der Postbote sie grüßt.
    »Ich habe zwei Briefe eingeworfen, Frau Wille.«
    Sie stottert ein Dankeschön und schon auf dem Weg zum Haus zückt sie den Briefkastenschlüssel.
    Zwei Briefe.
    Werbung von Quelle und ein blauer Umschlag von der Berliner Rück.
    Die Unterlagen, die sie benötigt, um das Haus zu finanzieren. Gott sei Dank! Alles ist in Ordnung. Nun steht dem Traum nichts mehr im Wege.
    Wie groß das Wohnzimmer ist ...
    Oben angekommen zieht sie den Mantel aus,
    Und ein Badezimmer mit Heißwasserboiler gibt es außerdem ...
    hängt ihn über den Bügel,
    Und ein vornehmes Treppenhaus ...
    blinzelt dem Tiger zu, der wie immer aus dem Teppichschilf späht.
    Drei Schlafzimmer!
    Sie wirft die Briefe auf den Küchentisch.
    Und eine Gästetoilette!
    Sie setzt einen Kaffee auf, dann rückt sie den Stuhl an den Tisch und öffnet den blauen Umschlag.
    Sie liest.
    Wendet den Brief, ob auf der Rückseite noch etwas geschrieben steht. Legt ihn auf die Tischplatte, streicht ihn mit den Handballen glatt und liest noch einmal, studiert Wort für Wort, denn der Brief ist wichtig und sie will alles verstehen, was sie liest. Das ist ja immer so eine Sache mit dem Amtsdeutsch, nicht wahr?
    Alles nur Kuddelmuddel!
    Zwei Minuten später werden ihre Augen nass, Tränen rinnen über ihre Wangen und ein Schluchzer quält sich aus ihrer Brust wie ein wildes Tier, das sich befreien will.
     

9
     
    »Streng dich an, Tom.«
    »Alles klar, Martin.«
    »Streng dich mehr an.«
    »Ist’s so besser?«
    »Besser, aber nicht gut. Junge, mach die Augen zu und lass dich treiben! Dummda dummda dummda.«
    »Ich versuch’s, Martin.«
    Tom schlägt drei Akkorde, ein Blues in E, im 4/4tel Takt. Sein Bein wippt auf und ab, seine Augen sind geschlossen. Das Plektrum rutscht über die Saiten. Von oben nach unten.
    »Treiben lassen, habe ich gesagt, nicht verkrampft rummachen!«, schimpft Herr

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