Alles auf Anfang: Roman (German Edition)
entgegen?«
»Doch ... ja, das wissen Sie genau.«
»Na also, trinken wir.«
»Warum ich? Wir sind nicht gerade die besten Freunde. Nach letztem Freitag, nach dem, was heute passiert ist ...«
»Papperlapapp. Das am Freitag war beeindruckend von dir. Du hast echte Führungsqualitäten bewiesen und mich vor einem großen Fehler bewahrt. Dafür bin ich dir dankbar.«
In Franks Kopf surrt es. Er hält sich an den Armlehnen des Stuhls fest. Das ist kein Traum. Selbstverständlich nicht. Also wird es Zeit, dass er seinen Verstand einschaltet und reagiert, wie es seinem Intellekt angemessen ist, Müdigkeit hin oder her. »Alles auf der Welt hat seinen Preis, Steiger. Was ist Ihrer?«
Der Steiger schweigt eine Sekunde. »Wir beide sind diejenigen in diesem Dreckstall, die ihren Verstand gebrauchen. Ich brauche deine Urteilskraft. Dir vertrauen die Kumpels.« Er grinst. »Zumindest diejenigen, die nicht an deinem Gedinge beteiligt sind. Und mit dieser Unkameradschaftlichkeit kannst du dann ja auch aufhören.«
Dieser Dreckskerl spricht von Kameradschaft? Das kann doch nur ein Witz sein!, denkt Frank.
»Seit letztem Freitag bist du so etwas wie ein Held. Ein kleiner Bergmann, der sich mit einem Obersteiger anlegt, beweist eine ganze Menge Mut. Eigentlich hatte ich auch vorhin mit deinem Eingreifen gerechnet. Du hast Vernunft gezeigt. Du weißt, wie weit man sich aus dem Fenster lehnen darf.«
Weil ich müde bin und weil Oskar mich zurückgehalten hat, denkt Frank und schließt die Augen. Hinter seiner Stirn rauscht es wie ein Wasserfall.
»Dir werden die Kumpels sagen, was abgeht, was sie beschäftigt. Weißt du ...« Er kramt eine Packung Zigaretten aus der Schublade, bietet Frank eine an, der nimmt sie impulsiv. Sie rauchen. Schotterbein setzt neu an: »Ich werde daran gemessen, über die Kumpels Bescheid zu wissen. Sagt dir der Begriff Arbeitsspiegel etwas?«
»Die Kladde. Eure Geheimakten.«
»Ich wusste, dass du der richtige Mann bist. Du weißt, was abläuft. Ja, die Kladde. Die Betriebsleitung will alles wissen, alles. Wer gewerkschaftlich eine große Backe hat, wer was, wann und wo plant. Wann ein Kumpel einen Kredit aufgenommen hat und für was und wie lange jemand noch abzahlt, wer zu viel säuft und deshalb seine Schichten bläut, wer den Vertrauensarzt bescheißt, einfach alles. Ich gebe zu, das klingt dreckig und ist es in gewisser Weise auch. Aber Hand aufs Herz, Wille: Man kann ja auch einiges ... erfinden! Sachen, die zu tief gehen, du verstehst mich, Sachen die einen mit seinem Gewissen kompromittieren. Niemand soll sich verbiegen und jeder soll sich noch im Spiegel anschauen können. Wir spionieren unsere besten Freunde schließlich nicht aus, so etwas tut man nicht. Es geht um den gesunden Mittelweg. Zu viele Märchen sollten es allerdings nicht sein, wenn du weißt, was ich meine.« Schotterbein scheint Franks Sprachlosigkeit zu genießen.
»Das, mein lieber Wille, ist die Konsequenz!«
Fast zärtlich malt Schotterbeins Zeigefinger Wellenlinien in die Rußschicht seines Grubenhelms. »Und noch was, Frank. Wenn du es nicht machst, dann tut es ein anderer, und wenn ich mich dumm und dämlich suche. Dann ist es deine Kladde, in der mehr steht, als du lesen willst.«
»Ich möchte gehen.« Frank steht auf. Sein Körper fühlt sich an, als habe der Pressluftschlauch nicht Cemir, sondern ihn getroffen.
»Wohin? Die Schicht ist für dich gelaufen.«
»Nach Hause, Steiger. Ich muss nachdenken.«
»Nachdenken ist gut, sehr gut. Man soll eine Entscheidung nicht der Leidenschaft, sondern dem Verstand überlassen. «
»Wie viel Zeit habe ich?«
»Bis Mittwoch. Von mir aus mach morgen blau, sauf dir einen, mach, was du willst. Ich werde deine Marke werten. Du bekommst die heutige und die Schicht von morgen voll bezahlt. Eines noch auf den Weg, mein lieber Frank: Auf Kruse/Konstanzia gibt es nur eine Handvoll schlauer Köpfe. Und zweitausend hirnlose Rindviecher. Entscheide dich, auf welcher Seite zu stehen möchtest. Willst du einer sein, der macht oder einer, mit dem gemacht wird?«
Frank schweigt.
»Das ist der Lauf der Dinge. Hier die Führer und dort das Fußvolk. Ob im Großen oder Kleinen ... Grundsätzliches verändert sich nie. Wir brauchen dich, Frank Wille. Und du brauchst eine Herausforderung, das Geld, damit du deine Träume wahr machen kannst, den Einfluss, der dir weiterhelfen wird. Auch bei mir wird sich in der nächsten Zeit einiges ändern, deshalb gebe ich dir ein Versprechen:
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