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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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eine andere Konsequenz gewählt und das erste Mal in diesen zwei Jahren fragt er sich, ob es wirklich die bessere Wahl war.
     
     
     

6
     
    Papas Schlag ist so hart, dass Tom meint, seine Zähne wackeln. Mitsamt des Stuhles rutscht er durch die Küche, Oma Käthe schreit erschrocken auf und Mama jammert und meint, das wäre nun wohl doch übertrieben. Noch in späteren Jahren wird Tom sich an diesen Schlag erinnern, und daran, wie er vom Stuhl aufgesprungen ist und darüber gelacht hat.
    »Wehr dich!«, faucht Papa und zieht ein finsteres Gesicht, das aber so albern wirkt, dass Tom sich kaum auf den Boxunterricht konzentrieren kann.
    »Solange du nicht zurückschlägst, wird man immer mit dir machen, was man will«, sagt Papa und hält die Fäuste hoch.
    Er hat Tom alles erklärt: was eine Deckung ist, der Unterschied zwischen einem Rechts- und Linksausleger, wie man den Arm vorschnellen lässt. Tom weiß jetzt alles über Cassius Clay, der im letzten Jahr gegen Sonny Liston Boxweltmeister geworden war und darüber, dass man manchmal wenig Alternativen hat. Der Gewalt auszuweichen, ist Stärke, hatte Papa schon vor zweieinhalb Jahren gesagt - das war die Zeit, als er sich für östliche Weisheiten interessierte - und das hat Tom sich gemerkt. Auch von wem der Spruch ist: Zur Abwechslung mal nicht von Goethe. Von Laotse! Dennoch, hat Papa heute Mittag hinzugefügt, muss man sich wehren, wenn ein Ausweichen nicht möglich ist.
    »Schlagen ist nur beim ersten Mal schwer«, sagt Papa. »Wenn es sich überhaupt nicht mehr vermeiden lässt, musst du dich überwinden. Und haue niemals auf den Körper. Egal, wie stark dein Gegenüber ist, schlage immer ins Gesicht. Nur wer den ersten Hieb setzt, gewinnt. Warte niemals darauf, dass dein Gegner beginnt. Sei immer schneller! Ein gezielter Punch auf die Nase, und der Stärkste ist am Boden. Also los – schlag mich!«
    Wie soll Tom das machen?
    Seinen Papa verhauen?
    Das geht doch nicht!
    »Du schaffst das«, zischt Papa, als habe er Toms Gedanken gelesen. »Stell dir einfach vor, ich sei Bodo Borro, so heißt der Dicke, stimmt’s? Versetze dem Kerl kräftig eins auf die Nase! Mittendrauf. Nun mach schon, oder soll ich dich in den Schwitzkasten nehmen? Willst du, dass man über dich lacht, dass die Mädchen mit Fingern auf dich zeigen? Hast du immer noch nicht die Schnauze voll?«
    Bei dieser harten Ausdrucksweise zuckt Mama zusammen, die sowieso ganz schön nervös und schlecht gelaunt wirkt, und Oma Käthe blickt rügend von ihrem Strickzeug auf. Ausnahmsweise hält sie ihren Mund, auch Mama enthält sich.
    Tom steht vom Stuhl auf und positioniert sich vor Papa. Er hebt die Arme, ballt die Fäuste – die Daumen immer außen! – so wie er es gelernt hat und tänzelt um seinen Vater herum, der in perfekter Boxerposition seine Abwehr aufbaut.
    »Na? Was ist?«
    Und Tom schlägt zu.
    Papa lächelt und pariert den Schlag.
    Tom platscht erneut gegen Papas Deckung.
    »Fester, Filius! Bemühe dich!«
    Toms Faust schnellt vor, er sucht eine Lücke.
    »Nicht schlecht, nicht schlecht - und noch mal.«
    Tom duckt sich, wartet ab. Aus dem Augenwinkel sieht er, dass Mama wie erstarrt zusieht, Oma Käthe das Strickzeug gesenkt hat.
    Papa macht einen, noch einen Schritt zurück. Tom zieht den Kopf zwischen die Schultern, wie Papa es ihm gezeigt hat, wieder schießt sein Arm nach vorne.
    Papa weicht spielerisch aus, hat seinen Spaß.
    Ganz schön überheblich bist du!, denkt Tom und wird wütend - ein klitzekleines bisschen jedenfalls. Mama und Oma Käthe wohnen dem Geschehen von Minute zu Minute beteiligter bei.
    »Bin schnell wie ein Tiger, steche zu wie eine Biene!« zitiert Papa Cassius Clay. »Und konzentriere dich, verdammt noch mal, auf mich!«
    Er führt mich vor!, denkt Tom, sammelt seine Kraft und explodiert.
    Papa weicht zurück.
    Für eine Sekunde zeichnet Überraschung sein Gesicht.
    Tom ist verblüfft, mit welcher Klarheit er seinen Gegner wahrnimmt.
    Papa stolpert gegen die Radiotruhe.
    Dann klatscht Toms Faust auf Bartstoppeln.
    Patsch!
    Tom zieht seinen Arm zurück, als habe er sie sich verbrannt.
    Mann oh Mann! Er hat Papa voll einen verpasst!
    »Gut, gut, das war’s«, ruft Papa und beendet das Spiel. Er reibt sich den Kiefer und seine Augen blitzen. Er dreht sich zu Mama. »Dein Sohn hat einen Schlag wie eine Dampframme.« Und zu Tom gewandt: »Gut gemacht, Filius. Gut gemacht!«
    Tom hat seinen Papa geschlagen. Seinen Vater besiegt! Und der hat sein Kinn gerieben

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