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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Vater und Mutter streitet, andauernd raucht und im übrigen schmollt, das Essen zubereitet, strickt und Vaters Bibliothek okkupiert. Nun ist sie nicht mehr die Frau, die wie eine Dampfwalze einen Raum okkupiert, jetzt ist sie nur noch eine Oma. Irgendetwas Heikles gibt es da zwischen Mama und Oma. Die beiden verstehen sich nicht gut und Tom hofft, dass sich so etwas niemals zwischen Lile und Mama entwickeln wird. Mutter und Tochter sollten doch zusammenhalten, oder?
    Wenig später kehren Mama und Vater heim.
    Sie sehen besorgt aus. Flüstern miteinander. Tom schnappt auf, dass es um Tante Gina und Lile geht. Durch die geschlossene Küchentür hört er, wie die drei Erwachsenen lamentieren, zwar leise, aber kleine Männer haben umso größere Ohren. Irgendwas ist in Berlin passiert, schon gestern. Aber was?
    »Ab in dein Zimmer!« Vater hat die Küchentür geöffnet und stellt den Lauscher. »Ich komme gleich zu dir.«
    Verschämt drückt Tom die Tür des Kinderzimmers hinter sich zu und lehnt sich mit dem Rücken dagegen. Er hasst es, ausgeschlossen zu sein, wenn die Erwachsenen ihn nicht ernst nehmen. Geht es darum, hochgeistige Literatur zu lesen oder in der Schule große Leistungen zu bringen, traut man ihm – und er fragt sich, woraus dieser Irrglaube resultiert - Erhebliches zu. Wenn es um familiäre Belange geht, sperrt man ihn aus. Niemand fragt ihn, allerseits wird über seinen Kopf hinweg entschieden. Auch die Sache mit Ottilie wurde einfach so beschlossen. Freilich hat Tom Verständnis dafür, dass dieses Zimmer für zwei Jugendliche zu klein ist, dennoch wäre er gerne gefragt worden. Das ist typisch: Abends heißt es, man sei noch zu jung für diese oder jene Fernsehsendung – fordert man etwas von ihm, heißt es, er sei schließlich schon ein großer Junge. Erwachsenenlogik! Vermutlich, resümiert Tom, wollen sie einfach nur ihre Ruhe und alles schön unter Kontrolle haben.
    Es ist heiß unter der Dachschräge. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn, die teuflisch juckt. Seit geraumer Zeit quälen ihn überall in seinem Gesicht sprießende Pickelchen, außerdem fühlt sich seine Haut fettig an wie ein kalter Hühnerschenkel. Ekelhaft! Er meint zu müffeln, so unwohl fühlt er sich in seiner Haut. Hinzu kommt, dass sein Penis ein Eigenleben entwickelt. Ohne erkennbaren Grund wird er steif und pocht gegen die Unterhose, was zwar angenehm ist, dessen ungeachtet aber auch unkontrollierbar. Besonders dann, wenn Tom an Karla denkt, die er nie erobert hat, weil er zu schüchtern ist und die jetzt mit einem aus der Sekunda zusammen ist, einem älteren Jungen, dem ausgewiesenen Klassenschönling.
    Tom wirft sich aufs Bett und schnappt sich sein gegenwärtiges Lieblingsbuch. Es ist von Jules Verne. Er kann sich nicht konzentrieren.
    Auf dem Weg nach Hause gibt es ein Kino, in dem Aufklärungsfilme gezeigt werden. Da vorbei ist es zwar ein kleiner Umweg, aber den nimmt man gerne in Kauf. Die Bilder in den Schaukästen sind eindeutig. Puh, da kann einem schon ganz schön heiß werden, was auch nicht gerade zur Entspannung beiträgt. Einige Klassenkameraden geben Hinweise, wie man mit dem Steifen verfahren soll, dunstige Zoten werden gerissen, wilde Vermutungen kreisen. Es soll Spaß machen. Man soll sich danach sehr wohl fühlen. Wie kann man sich wohlfühlen, wenn überall am Körper Haare sprießen, sogar unter den Armen. Na egal! Tom entscheidet, das, was so viel Spaß machen soll, auch mal zu probieren. Eventuell heute Abend?
    Die Tür öffnet sich und Vater tritt ein. Er setzt sich auf Lies verwaistes Bett, die drei Manuskriptseiten in der Hand. Mama kommt hinzu und lehnt sich in den Türrahmen.
    »Du hast Talent, mein Sohn«, sagt Vater. »Man spürt, dass du viel Gutes und einiges von Jack London gelesen hast. Das hat dich inspiriert. Am Schluss der Geschichte, als der Wolfshund stirbt, habe ich fast geweint.«
    Tom meint zu glühen, auf seinem Rücken kribbelt es. »Also findest du es gut?«
    »Die Geschichte sollte veröffentlicht werden.«
    Tom grinst verlegen. »Auf Klopapier, oder?«
    »In einer Zeitung«, sagt Vater.
    Mama nickt anerkennend. »Ja, Thomas.«
    »In einer Zeitung«, echot Tom. »Und in welcher bitte schön?«
    »Da hätte ich schon eine Idee.« Vater blinzelt verschwörerisch.
    »Aber vorher haben wir noch etwas für dich«, sagt Mama. Sie greift neben sich und hebt Tom einen Karton entgegen.
    »Für mich?«, fragt Tom.
    »Na sicher, oder ist hier sonst noch jemand im Raum?«, fragt

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