Alles auf Anfang: Roman (German Edition)
kann sein?«, Franks Gesicht gerät in Bewegung.
»Das ist garantiert so!«, nickt Lotte und schnupft in das fein gestärkte Tuch. »Ich habe nie das Gewicht überprüft. Ich dachte ...«
»Du dachtest nur daran, dass wir jeden Tag Fleisch und Wurst auf dem Teller haben, stimmt’s?«
»Ja, Frank, ja, nur an das dachte ich. Dass wir gut essen.«
Eine Weile schweigen sie alle und gucken sich belämmert an, derweil Lotte noch ein bisschen vor sich hin schnüffelt.
Oma Käthe grunzt rügend und hantiert übertrieben laut mit den Töpfen.
Franks schüttelt den Kopf, seine Wangen ziehen sich in die Breite, er greift Lotte unter die Achseln, zieht sie wie eine Spielzeugpuppe hoch, drückt sie so sehr an seine Brust, dass die hellen Haare in Lottes Nase kitzeln, ein Beben geht durch seinen Körper, er streichelt ihr über das feuchte Haar, packt sie an den Schultern, drückt sie etwas von sich weg, grinst, nickt, legt den Kopf in den Nacken und lacht dröhnend. »Ja, das war doch ganz fantastisch!«
»Was war den fantastisch an meiner Blödheit?«, stammelt Lotte.
»Blödheit? Du bist doch nicht blöd.« Er drückt ihr einen schmatzenden Kuss auf die Wange. »Die Beste bist du!«
»Die Dümmste bin ich.«
»Ach was. Das war ganz großartig. Einen Monat lang schlemmen wie die Götter. Schlemmen wie die Willes! Wie die Reichen! Wunderbar! Und das war jedes zarte Steak, jedes Würstchen, jede Roulade, jede Bulette, jede Leberwurst, jede Fleischwurst, die Sülze und alles das, es war alles wert! Oh Lottchen, du bist wunderbar!« Er zieht sie erneut an sich. Nun heult Lotte erst recht. Weil sie ihn immer noch über alles liebt, diesen großen Kerl, der ein so abscheulicher Klotz sein kann und so lieb, so lieb. Weil er sich nicht wirklich verändert hat, da noch vieles von ihm, halb von Kohlenstaub begraben, im Zwielicht der Vertrautheit glitzert.
»Ja, Mama. Das war ganz toll so«, beeilt sich auch Thomas, seine Mama zu beruhigen.
»Sag mal Muttel, was gibt’s denn heute so zu essen?«, wendet sich Frank an Oma Käthe.
»Hüftbraten mit Linsen.«
»Na seht ihr’s – noch sind Vorräte da«, lacht Frank. »Noch darf gefuttert werden. Lecker, lecker Hüftbraten. Mmmmh! Den wollen wir uns schmecken lassen. Ist wahrscheinlich der beste Hüftbraten, den man kriegen kann, nicht wahr? Irgendwo aus der fein marmorierten Filetspitze oder wie ihr Fleischleute das nennt.«
»Ja, ja, der Beste«, nickt Lotte und nun lacht sie auch.
Der beste Braten!
Der Beste!
Das ist ihr Frank. Der beste Mann der Welt!
Oma Käthe schüttelt den Kopf und trägt die Teller und das Besteck auf. »Typisch meine Tochter. Scheuklappen bis zum geht nicht mehr. Als hätte sie nichts gelernt – damals.«
»Was willst du damit sagen?«, springt Lotte an und macht sich von Frank los.
»Habe ich dich nicht gelehrt, immer achtzugeben, was du tust? Besonders wenn es um Pinunzen geht?« Sie macht das entsprechende Zeichen mit Daumen und Zeigefinger.
»Muttel ... bitte ...«, Frank räuspert sich, wie immer um Frieden bemüht. »Da solltest du dich raushalten. Es ist nicht dein Geld!«
Lotte wirft die Abrechnung auf den Tisch, dass es klatscht, und stemmt die Hände in die Hüften. Tom macht sich ganz klein, Frank verdreht die Augen.
»Warum, verdammt noch mal, muss ich mir als erwachsene Frau noch immer diese Sprüche von dir anhören? Wie lange dauert es noch, bis du begreifst, dass ich kein Kind mehr bin?«, schnappt Lotte. Ihre soeben erwachte gute Laune verschwindet wie eine Maus, die vor der Katze flüchtet.
»Warum benimmst du dich wie eines und warum fluchst du vor deinem Sohn?«, säuselt Oma Käthe.
»Hör auf, sie zu provozieren.« Frank gibt sich alle Mühe.
»Nein, nein, lasse sie reden«, zischt Lotte aufgebracht. »Sie hat ja nur auf einen Grund gewartet, oder meinst du etwa, ich merke nicht, dass ihr mal wieder was über die Leber gelaufen ist?«
Oma Käthe zieht eine Schnute, als maßregele sie ein Kleinkind. »Sei nicht so theatralisch. Theater hast du in dieser Woche schon genug gespielt.«
»Dann habe ich mit dir ja wohl doch so einiges gemeinsam, nicht wahr? Wie Frank mir erzählte, hast du dich bei ihm wegen Vater ausgeheult.«
»Deine Vorstellung in Berlin muss bühnenreif gewesen sein«, geht Oma Käthe über diesen Stich hinweg. »Du behandelst Ottilie wie ein Straßenmädchen und hast noch nicht mal den Mut, nach Berlin zu fahren und sie in die Arme zu nehmen.«
»Ich weiß gar nicht, was du von mir willst!«,
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