Alles auf Anfang: Roman (German Edition)
die in der Sonne braten wie grauscheckige Spiegeleier.
Der Schönling zieht eine Schnute. »Wegen diesem ... diesem ...«
»Kein Problem«, unterbricht Vater. »Ich lade euch drei zu einem neuen Eis ein.«
Mama öffnet die Geldbörse.
»Oh ja«, Karla klatscht in die Hände wie ein kleines Mädchen, was Tom bei ihr – und nur bei ihr! – ganz süß findet.
»Immerhin hat Tom jetzt neue Freunde«, sagt Vater und Tom möchte sich bei dieser Peinlichkeit in die nächste Umkleidekabine verkriechen. »Da kann das Eis gar nicht groß genug sein.«
Mama kramt noch ein bisschen tiefer und legt noch eine Mark drauf.
Eigentlich möchte Tom sich viel lieber davonmachen, als gemeinsam mit Karla und deren Freund Eis zu essen.
»Und wie heißen deine neue Freunde?«, wendet Mama sich an Tom, das Geld in der Hand.
Neeeeeein!, möchte Tom am liebsten schreien und sich die Ohren zuhalten. Was soll denn dieses Gequatsche von wegen neuen Freunden? Das ist ja oberpeinlich, ist das! Als würde man sonst niemanden kennen, als wäre man ein bescheuerter Außenseiter. Nie wieder wird er gemeinsam mit seinen Eltern in ein Schwimmbad gehen. Die machen einen ja zum Deppen.
Karla, der die Begegnung Spaß zu machen scheint, stellt sich noch mal formell vor und ihre Stimme klingt in Toms Ohren wie Engelsingen. Sie ist ja so süß und sogar Vater scheint von ihrem Charme beeindruckt zu sein.
Karlas Freund reicht Vater die Hand. »Ich kenne Tom, denn ich bin auf seiner Schule«, sagt er mit zitternder Stimme. »Und ich kenne auch Sie, Herr Wille. Ich heiße Hans – Hans Schotterbein! Und damit das klar ist: Ich will garantiert kein Eis von Ihnen, nein von Ihnen nicht.« Unter seinen Wimpern schillern Tränen, er schiebt das Kinn vor, packt Karlas Hand und zieht diese hinter sich her. Nach einigen Schritten bleibt er noch einmal stehen, wendet sich um und seine Augen nageln Tom fest. Hans Schotterbein nickt, wischt sich mit einer trotzigen Handbewegung übers Gesicht, lächelt seidenweich und geht mit Karla im Schlepptau davon.
10
Mike Stern zündet sich eine Zigarette an und entgegnet den Gruß des Druckereigehilfen so unbeschwert wie möglich. Seitdem er von sogenannten Kunstkritikern und begeisterten Emphatisten zu einem Fotokünstler wider Willen gemacht worden war, begegnet man ihm mit einer Ehrerbietung, die er bescheuert findet. Wenn er die Tatsache betont, das Foto des Mannes am Fahnenmast sei dem Zufall zu verdanken, beeilen sich unzählige Menschen zu versichern, Kunst sei das Ins-Werk-Setzen der Wahrheit, das Gewissen der Menschen, sie sei symbolisch, auf keinen Fall die Fortsetzung der Erkenntnis und so weiter, und so weiter. Blabla!
Andererseits hat die New York Times Interesse an dem Foto angedeutet. Umgehend hat Mike ein Copyright darauf angemeldet. Eine wichtige Pariser Ausstellung möchte es ausstellen und zwei Verlage wollen es in ihren Bildbänden aufnehmen. Die Nachrichtenagentur Reuters hat schon zweimal angerufen. Eine interessante Entwicklung, die profitabel sein kann. Manchmal muss man Glück haben.
Mike ist Chef vom Dienst geworden und hat drei Mitarbeiter. Ansonsten hat sich meine Arbeit kaum geändert und das ist ihm recht. Obwohl es Ausnahmen gibt. Aber die sind selten. Er erinnert sich, dass ihn letzte Woche der Chef aus Essen anrief, weil er einen Taschenträger brauchte. Eigentlich ist so etwas nicht Mikes Ding und er fragte sich, warum gerade er das tun sollte? Wegen dieses Fotos? Vermutlich ja! Aus der Taschenträgerei wurde einer der Höhepunkte seines bisherigen journalistischen Lebens.
Es gab ein Treffen mit Bundeskanzler Ludwig Erhard. Puh, Mike war nervös gewesen, aber Horst Lackmund, Chefredakteur der Rundschau, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Ganz locker bleiben, Stern. Und die Klappe halten. Notieren Sie mit. Sie beherrschen doch Steno, oder? Mehr braucht es nicht.«
Erhard war Mike besonders durch seine mitfühlende Handlungsweise während des Grubenunglückes von Lengede aufgefallen.
Lackmund wurde nach Bonn eingeladen, um für eine Stunde an Erhardts Lieblingsbeschäftigung teilzunehmen: Ein paar Runden Skat!
Vielleicht wollte man einer weniger bedeutenden Zeitung aus dem Ruhrpott die Chance für eine sympathisierende Berichterstattung bieten, möglicherweise hatten Erhards Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit einen organisatorischen Irrtum begangen.
Das glaubt mir niemand!, erinnert Mike sich an seinen ersten Gedanken. Und an den zweiten: Die
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