Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
Vom Netzwerk:
über Ihrem Schreibtisch.«
    »Ach das.« Ich folge dem Blick des Jungen. »Ja, manche halten es für Kunst.«
    »Die Fahnenmasten sehen aus wie die in unserer Kleingartenanlage.«
    »Du kennst das Foto nicht?«
    »I wo. Nie vorher gesehen. Es erinnert mich nur an etwas ...«
    »Ja?«
    »Wissen Sie – ich wohne neben der Lebensfreude Bergborn. Und irgendwie ... ich weiß nicht ...« Der Junge stockt, schweigt, wird blass und schlägt die Augen nieder. Mikes Blick schwingt rüber zum Schaufenster. Ja, ja, ja! Das ist der Mann. Da kann der seinen Kopf noch so sehr wegdrehen. Dasselbe Kinn, die markanten Vorgebirge der Stirn, die schmale Adlernase, der lange Hals mit dem hervorspringenden Kehlkopf, ein durchtrainierter Mann, muskulös und – darauf würde er wetten! - von geschmeidiger Körperlichkeit. Zwar hatte Mike nie nach dem Kletterer gesucht, aber nun ist alles anders, jetzt bewegt ihn mehr denn je die Frage: Was sucht ein erwachsener Kerl nach Mitternacht an der Spitze eines Fahnenmastes?
    Später, später ...
    Erst mal weiterlesen, was der Junge da mitgebracht hat. Das ist er der Courage des Dreizehnjährigen - fast vierzehn - schuldig, denn es gehört was dazu, als Halbwüchsiger in eine Redaktion zu stiefeln, und sein Geschreibsel einem Profi vorzulegen - auch wenn Papa den Trainer markiert!
    Einerseits gut, wenn ein Talent Misstrauen in sich setzt, andererseits steht ihm auch der Mut gut zu Gesichte. Wer um alles in der Welt hatte das so oder ähnlich gesagt? Schiller?
    Mike liest.
    Eine Seite, noch eine Seite. Schreibt nicht übel, der Junge. Gar nicht schlecht. Ist noch nicht vom Gelaberfieber infiziert. Da geht noch alles zackzack, schnurgeradeaus, fast keine Zeile zu viel, instinktgesteuert.
    »Irritiert dich etwas an dem Foto?« Er blickt von dem Manuskript auf und steckt sich eine Zigarette an.
    »Nein, nein – ist schon in Ordnung.«
    Mike sieht ihm an, dass er die Schlussfolgerungen, die in ihm wachsen, selber nicht versteht. Dieser Bursche würde kein Wort über seinen Vater verlieren, würde seinen Vater auch nicht reinreißen, wäre er seiner Sache sicher.
    »Wer hat das Foto gemacht, Mike?«
    Von nun an gibt es keinen Zweifel daran, dass dieser Junge eins und eins zusammenzählt. Das schließt Mike aus der Ahnung, eine feine Schicht Furcht, die das schmalpickelige Gesicht überzieht. Der Junge mutmaßt verdammt noch mal genau, dass irgendwer seinen Vater bei einer Verrücktheit fotografiert hat, auch wenn diese Annahme wie ein öliges Blatt an der Oberfläche seines Wahrnehmungsrasters schwimmt, getreu dem Motto: Was nicht sein darf, kann nicht sein!
    Später, später ...
    Die Geschichte ist lesbar, fabelhaft für einen Dreizehnjährigen, bestens geeignet zur Veröffentlichung. Von einem Jugendlichen für Jugendliche geschrieben, zwei, die die gleiche Sprache sprechen. Zeilenhonorar neun Pfennige. Das macht, wenn man das Manuskript auf zwei Samstage teilt, gesamt etwa fünfhundert Zeilen, also fünfundvierzig Mark.
    »Irgendein Amerikaner hat das geschossen. Im Central Park in New York. Ich hab seinen Namen vergessen.«
    Am liebsten würde Mike kichern, so entwaffnend ist es, als die Anspannung von Thomas Wille abfällt, der nun grinst wie ein Honigkuchenpferd – Junge, du solltest deine Eltern um eine Zahnspange bitten! - und fragt: »Gefällt Ihnen die Geschichte?«
    Mike streckt seine Hand über den Schreibtisch. »Herzlich willkommen in der Wochenendbeilage der Rundschau! In einer Woche bist du dabei. Schön groß mit Namensnennung. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich ein paar Zeilen verändere? Nur, damit es ins Format passt.«
    Der junge Autor rückt seine Brille zurecht und starrt durch die fettigen Brillengläser, als sei ich ein Außerirdischer.
    »Na also ... dann gebe Marita – Frau Rikola -  deine Adresse wegen des Honorars. Es dürfte so um die vierzig Mark sein. Und grüß deinen Vater unbekannterweise. Ach so – he, warte, Junge! Nicht so schnell.«Ç
    »Ja?« Thomas Wille verharrt, was ihn wie einen erstarrten Flamingo aussehen lässt, ein Eindruck, den seine dünnen Beine, die aus kurzen weiten Hosenbeinen gucken, unterstreichen. Er schaut Mike argwöhnisch an.
    Marita im Hintergrund legt den hübschen Kopf schräg.
    »Wenn du wieder was schreibst, bring es mir. Mal sehn, was ich für dich tun kann.«
    »Ja, ja, gerne.«
    Mann, oh, Mann, was für ein Tag!, denkt Mike und ist sehr zufrieden mit sich.
     
     

11
     
    Frau Marek benötigt Zigaretten!
    Da Tom in

Weitere Kostenlose Bücher