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Alles auf Anfang

Alles auf Anfang

Titel: Alles auf Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benioff David
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Football-Spielfeld lag direkt neben dem Parkplatz, die Cheerleader übten gerade, und ich dachte, mein Gott, Cheerleader. Ich ging hinüber, um zuzuschauen. So wie ich heute gehe, merkt kaum noch jemand, dass ich einen schweren Unfall hatte. Meine Schritte sind kürzer, als sie früher waren, und
mein Rücken wird steif, wenn ich müde werde, und zwingt mich, zu schlurfen wie ein alter Mann, aber meistens bewege ich mich ziemlich problemlos.
    Ein paar schlaksige Jungs fläzten sich auf der Tribüne, tranken Yoo-Hoo, schnippten mit den Daumen die Flaschendeckel in die Luft und fingen sie wieder auf. Sie verfolgten, wie ich mich näherte.
    »Na, wie läuft’s?«, fragte ich, als ich mich in die erste Reihe setzte.
    Der Junge, der mir am nächsten saß, trug eine Sonnenbrille und eine Kette aus Glasperlen und hatte blond gefärbte Haare. Er hatte nicht die Absicht, etwas zu sagen, aber ich sah ihn so lange an, bis er murmelte: »Is was?«
    Ich merkte, dass ich mich wie ein Idiot benahm, dass ich nicht hierher gehörte, dass ich mal ein cooler Typ gewesen war, aber dass das für die neuen coolen Typen ohne Belang war. Also winkte ich den Jungs zum Abschied zu und spürte genau, dass sie mir nachsahen, sich fragten, was das Ganze sollte. Ich ging hinaus auf den Platz. Die Cheerleader, die auf der Aschenbahn aufgereiht waren, sahen mich misstrauisch an. Der Geruch von frisch gemähtem Gras, die aufgemalten Yard-Markierungen, die Stollenabdrücke im Rasen - es war lange her, seit ich auf einem Spielfeld gestanden hatte. Auf der Anzeigetafel war noch das Ergebnis der letzten Woche zu lesen: Marauders 17, Gäste 0. Die hiesigen Jungs hatten eine gute Defensive.
    Drinnen im Schulgebäude empfing mich der altbekannte Geruch: Teenagerschweiß, Ammoniak, trocknende Farbe, Kaffee, Kreidestaub und Kaugummi. Die Eingangshalle diente als großer Trophäenraum, Vitrinen mit blind gewordenen
Schalen und Statuetten, Gedenktafeln an den Wänden zur Erinnerung an Sportler, die inzwischen tot oder schon älter waren. Von den Fensterbrettern grinsten mich ausgehöhlte Kürbisse an, und die Türrahmen waren mit orangefarbenem und schwarzem Krepppapier dekoriert. Ich ging Korridore mit Teppichboden hinunter und schmale Treppen hinauf, das Holzgeländer blank gerieben von Abertausend Kinderhänden. Im ersten Stock zierten alte Fotografien die Wände: Mannschaftsfotos, Klassenfotos, kunstvoll gerahmte Porträts toter Lehrer. Daneben gab es Haken zum Aufhängen der Schultaschen, rote Ausgangsschilder, uralte Wasserspender.
    Endlich fand ich die Bibliothek, einen engen Raum mit ein paar kurzen Bücherregalen und Bleiglasfenstern, die seit Jahren nicht mehr geputzt worden waren. Schüler, die zu lesen vorgaben, rutschten auf Plastikstühlen herum, die entlang der Wand aufgereiht waren. Die Bibliothekarin saß an ihrem Schreibtisch, wo sie neue Zeitschriften in Plastikhüllen steckte. Sie war jung und wohlproportioniert, und ihre schwarze Ponyfrisur war an der Stirn so exakt geschnitten wie bei Chinesinnen auf alten Fotos. Sie blickte lächelnd zu mir auf.
    »Könnten Sie mir sagen, wo ich die alten Jahrbücher finde?«, fragte ich sie.
    »Natürlich«, sagte sie und stand auf. »Alumnus?«
    »Wie bitte?«
    »Sind Sie ein ehemaliger Schüler? Ich selbst bin Abschlussjahrgang 1990.«
    Ich hätte ihr gerne mitgeteilt, dass ich wusste, was ein Alumnus ist, dass mich nur ihre Ein-Wort-Frage verwirrt
hatte, die auch manch anderen intelligenten Menschen verwirrt hätte, aber ich sagte nur: »Nein, ich suche jemanden.«
    Sie nickte, als ob ständig Leute zu ihr kämen, die jemanden suchten, als ob das ihre eigentliche Aufgabe sei und das Dewey-Dezimalsystem und rotznäsige Kinder nur Tarnung wären. Ich folgte ihr ans andere Ende der Bibliothek, wo sie eine Tür aufschloss und mich in einen staubigen Lagerraum führte. Auf Metallgestellen lagen Pappschachteln. Sie kniete sich neben einem Stapel Jahrbücher hin.
    » The Kulpsville Marauder, 1959 bis 1998. In welchem Jahr hat Ihr Freund den Abschluss gemacht?«
    »Vermutlich 1987 oder 1988.«
    Sie zog vier Jahrbücher heraus und reichte sie mir. »Dann ist er wahrscheinlich in einem von diesen. Wie ist sein Nachname?«
    »Ihr Nachname. Das weiß ich nicht. Den suche ich ja.«
    Die Bibliothekarin lachte. »Dann stehen Sie beide sich vermutlich nicht sehr nahe.«
    »Eine Weile war das anders«, sagte ich.
    Sie meinte, ich solle mir so viel Zeit lassen, wie ich brauchte, und ließ mich dann allein. Ich fragte

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