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Alles auf Anfang

Alles auf Anfang

Titel: Alles auf Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benioff David
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in meinen Muskeln. Ich spürte, wie die alte Kraft zurückkehrte. Ich wollte das Schulgebäude niederreißen, die Hände an die tragenden Wände legen und drücken, so lange drücken, bis alles einstürzte, bis wir alle von dem herabfallenden Mauerwerk zermalmt wurden.
    »Nehmen Sie das zurück«, sagte ich zu der Bibliothekarin.
    Sie hielt die Hände hoch, als hätte ich eine Waffe auf sie gerichtet. »Bitte, Sir! Ich verstehe nicht, was Sie wollen.«
    »Sie ist nicht tot«, sagte ich ruhig. »Sie lebt in Las Vegas. Sie ist der beste Blackjack-Dealer in der Stadt.«
    »Okay.«
    »Sagen Sie es.«
    »Sir …«

    »Sagen Sie es, oder ich breche Ihnen verdammt noch mal den Arm.«
    Die Bibliothekarin hatte Tränen in den Augen. Sie blickte sich suchend im Raum um, ob ihr denn keiner der Schüler zu Hilfe kam. Einer von ihnen hatte tatsächlich die Absicht, ein stiernackiger Bursche mit Jeansjacke, aber als ich ihn ansah, ließ er sich wieder auf seinen Stuhl sinken und schlug die Augen nieder.
    »Sie ist nicht tot«, sagte die Bibliothekarin mit zitternder Stimme. »Sie lebt in Las Vegas.«
    »Und sie kommt nie mehr nach Pennsylvania zurück. Sie werden Sie nie wiedersehen.«
    Die Bibliothekarin begann auch das zu wiederholen, doch ich ließ sie einfach stehen, umgeben von ihren Büchern und Zeitschriften und gaffenden Schülern.
    Als ich die Schule verließ, rechnete ich damit, von einem Wachmann festgehalten zu werden. Ich hätte ihn durch die nächstbeste Wand geschleudert. Doch niemand näherte sich mir. Ich stieß die Eingangstüren auf, ging zurück zu meinem Wagen und fuhr nach Hause, die ungeöffnete Tüte mit Hershey-Kisses auf dem Beifahrersitz.
    Maureen war eine Kämpferin. Sie hatte ihn bestimmt getreten und ihm in die Hand gebissen und ihm das Gesicht zerkratzt. Sie muss gewusst haben, was geschah. Es muss einen Moment gegeben haben, in dem sie sah, wie sich das Gesicht ihres Freundes veränderte, als er aufhörte, ihr Freund zu sein, und jeder Ausdruck von Vertrautheit aus seinen Augen verschwand, als der letzte Rest widersprüchlicher Gefühle sich auflöste und er sie nur noch umbringen wollte. Bestimmt hatte er sie gegen die Wand geschleudert, seine
Hände fester und fester um ihre Kehle gepresst, bis sie zuletzt aufgegeben hatte, selbst Maureen muss aufgegeben haben, als ihr die Pisse die Beine hinunterlief und ihre Lippen blau wurden und ihre Füße zu treten aufhörten.
    Dieses Bild geht mir bis heute nicht aus dem Kopf. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, schalte ich den Fernseher ein und schaue mir die Highlights der Sportsendungen an und trinke Bier, und die ganze Zeit geht mir dieses Bild nicht aus dem Kopf. Es bringt mich dazu, meinen eigenen Geist zu hassen, diesen kranken Geist, der ein Bild heraufbeschwört, das ich nie gesehen habe, und mich damit verfolgt.
    Ich kannte das lebende Mädchen, ihr Lächeln, bei dem man die ramponierten Zähne sah, ihr schadenfrohes Dschinn-Lachen, doch nun sehe ich sie nur noch im Todeskampf vor mir, aller Würde beraubt - die grausigen letzten Seiten einer Geschichte, die ich nur bis zur Hälfte hätte lesen sollen. Wenn ich nicht nach North Wales gefahren wäre, dann wäre Maureen noch am Leben; sie hätte in meiner Unwissenheit weitergelebt und Erfolg gehabt.
    Meinem Vater erzählte ich die Geschichte von meiner Fahrt mit Maureen im Eldorado erst, als ich mit gebrochenem Genick im Krankenhaus lag. Dad kannte Dr. Byrnes und wäre stinkwütend gewesen, wenn er erfahren hätte, dass ich den Wagen dieses Mannes für einen Tag gestohlen hatte. Aber nach dem Unfall, als Dad sich eine Auszeit von der Arbeit nahm, um bei mir sein zu können, sprachen wir über alle möglichen Dinge, die sonst nie ein Thema gewesen wären. Ich erfuhr von den Freundinnen, die er vor Mom gehabt hatte; und wie es war, als Pole in einem italienischen
Viertel in Brooklyn aufzuwachsen; und von dem Trauzeugen meiner Eltern, der in Vietnam gefallen war und nach dem sie mich genannt hatten.
    Und so erzählte ich meinem Vater, wie ich Tommys Wagen genommen hatte, und Dad schüttelte den Kopf, doch dann lachte er. »Den Wagen wollte ich auch immer fahren.«
    Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, und als ich zu der Sache mit dem Kühlschrank kam, der mitten auf der Straße lag, und wie ich ihm im letzten Moment ausgewichen war und dann den Mann im Wagen hinter mir gewarnt hatte, fragte mein Vater: »Und dann bist du zurückgefahren?«
    »Was?«
    »Bist du zurückgefahren und hast den

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