Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles auf Anfang

Alles auf Anfang

Titel: Alles auf Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benioff David
Vom Netzwerk:
Tana’s aus. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, trug er Jackett und Krawatte und hatte sich einen akkuraten Seitenscheitel gezogen. Wenn wir ausgingen, setzte mich Sam normalerweise vor dem Lokal ab und fuhr dann zehn Minuten um den Block, bis er einen Parkplatz fand; an diesem Abend überließ er sein Auto dem Valet-Service des Restaurants und eskortierte mich zum Pult des Oberkellners.
    Als wir in unserer Nische Platz genommen hatten, bestellte Sam eine Flasche guten Champagner, eine Flasche, die er sich nicht leisten konnte, und da wusste ich sofort, was passieren würde. Ich sah, wie nervös er war, mit seiner Gabel herumspielte, sich im Nacken unter dem engen Hemdkragen kratzte, sein Eiswasser hinunterstürzte, und ich wusste Bescheid.
    Nachdem der Kellner den Champagner eingeschenkt hatte, erhob Sam sein Glas und sagte: »Auf Linda McCoy. Möge ihr ein langes und glückliches Leben beschieden sein.«
    »Auf Linda McCoy.«

    Wir tranken, und als ich mein Glas abstellte, sah Sam mich noch immer an. Ich wollte ihn aufhalten, ich wollte seinen Lockenkopf an meine Brust drücken und ihm zuflüstern, wie schrecklich ich bin, wie unbeherrscht und eifersüchtig ich bin, wie eitel und unsicher, eine Frau, von der man vernünftigerweise nicht erwarten konnte, dass sie einen Mann glücklich macht.
    Stattdessen sagte ich nichts, schaute nur zu, wie er in seiner Jackentasche kramte. Es war, als sähe man einen Selbstmörder von einem hohen Gebäude springen - man hatte genug Zeit, seinen Fall zu verfolgen, sich zu fragen, warum er gesprungen war.
    Bitte, Sam, wollte ich sagen, bitte nicht, schau bitte woandershin. Denn das Wort näherte sich bereits, und das Wort war so laut, dass das ganze Restaurant es bestimmt schon hören konnte, das Wort war so laut, dass es die Jazzmusik übertönte, die aus den Lautsprechern kam, das ganze betrunkene Gelächter übertönte, alle Mobiltelefongespräche und die Gäste sich schon anstießen und sich zu uns umdrehten: Schaut mal, schaut euch den armen Trottel an, der hat doch keine Chance, ist der taub?
    Das Wort war Nein, und ich war das Wort, das Fleisch geworden war. Ich war die Abfuhr in einer mexikanischen Bauernbluse, die mit dem Finger über den Rand der Champagnerflöte strich, um das Glas summen zu hören. Sam zog den Ring aus der Tasche und begann auf seiner Bank ganz dicht an den Tisch zu rücken. Ich legte die Hand auf seine Schulter und hielt ihn auf.
    »Sam«, sagte ich, und alles Weitere schien sich zu erübrigen, und so küsste ich seine rasierte Wange, stand auf und
ging rasch zur Tür. Ich dachte, dass mich jemand packen und zurück an den Tisch zerren würde, irgendein Gesetzeshüter. Damit konnte ich doch nicht ungestraft davonkommen. Das war doch eine derart unglaubliche Taktlosigkeit, dass ich am liebsten aus meiner Haut geschlüpft wäre, meine äußere Hülle auf den Boden des Restaurants geworfen hätte und weggerannt wäre, mit meinen nassen hautlosen Füßen blutige Abdrücke auf dem Bürgersteig hinterlassen hätte.
    Niemand hielt mich auf, und niemand zog die Abhäutemesser, und so ging ich zwei Meilen den Santa Monica Boulevard hinunter und wünschte, es würde regnen, um wenigstens die Heldin des Dramas sein zu können, schluchzend, während mir die Wimperntusche die Wangen hinunterlief. Aber ehrlich gesagt, je weiter ich ging, desto besser fühlte ich mich. Als ich Fairfax erreichte, sang ich bereits vor mich hin, alte Radiomelodien und Songs, die ich mir an Ort und Stelle ausdachte.
    Vor Canter’s Deli hielt mir ein alter vornübergebeugter Penner einen Styroporbecher hin und klimperte mit dem Kleingeld. »Geben Sie mir was fürs Abendessen, Miss?«
    »Nein«, sagte ich energisch.
    Ich stieß die Tür auf und ging hinein, vorbei an dem fein säuberlich hinter Glas aufgestapelten Gebäck, und der Penner rief mir nach: »Vielleicht beim Rausgehen?«
    Am Tisch bestellte ich Hühnersuppe mit Matzenbällchen und Blintze mit Käsefüllung, und als das Essen kam, verschlang ich es, wischte mir mit dem Handrücken den Mund ab, fischte Pickles aus der salzigen Brühe. Um mich herum plapperten die jungen Möchtegern-Hollywoodstars drauflos. Damals war gerade Leopardenfell in Mode, und alle weiblichen
Wesen trugen es: Leopardenfellmäntel, Leopardenfellhosen, schenkelhohe Leopardenfellstiefel, ein kokettes junges Ding hatte sogar ein Leopardenfellhütchen auf.
    Die Decke im Canter’s soll aussehen wie Buntglas. Das wirkt irgendwie merkwürdig. Was hat eine

Weitere Kostenlose Bücher