Alles auf Anfang
später sprach ich dem Casting-Director vor, und eine Woche später den Produzenten. Bucky Lefschaum, der Mann, der Mr Midnight und The Campus Green erfunden hatte, ein Mann, den ich bei den Golden Globe Awards mit den Stars hatte herumstolzieren sehen, stand mitten in meinem Text auf. Sein lockiges Haar wich an der Stirn bereits zurück, aber er war fit und braun gebrannt. Er sah aus wie der Tennistrainer, den alle Ehefrauen im Country-Club vögeln.
»Stopp«, sagte er. Er nahm seine Sonnenbrille ab und hängte sie am Bügel in den Kragen seines Polohemds. »Stopp, das reicht. Den Rest können wir uns schenken. Sie sind Linda McCoy. Sie sind genau die Richtige.«
Er schüttelte mir die Hand und ging, einfach so. Ich sah den Casting-Director an.
»Habe ich die Rolle?«
»Noch nicht«, sagte er. »Sie müssen erst noch dem Sender vorsprechen.«
»Masel tov«, sagte mein Agent, als ich es ihm mitteilte. »Wenn du Lefschaum gefallen hast, liegst du goldrichtig.
Sieh einfach zu, dass du für die Fernsehfritzen so gut wie möglich ausschaust. Alles andere ist denen egal. Was verstehen die schon von der Schauspielerei!«
Ich sprach dem Sender in einem Konferenzraum in ihrem Studio in Century City vor. An den Wänden hingen gerahmte Poster von Sitcomstars, die ihre gebleichten Zähne und ihre glatt gebügelten Dekolletés blitzen ließen. Die Produzenten, einschließlich Bucky Lefschaum, saßen auf der einen Seite des Tisches. Die Bosse des Fernsehsenders saßen auf der anderen Seite. Es war Casual Friday, und es war Strandwetter, die stupide kalifornische Sonne verströmte ihre Liebe unterschiedslos an jedermann, und die Bosse trugen kurze Ärmel. Sie waren viel jünger, als ich erwartet hatte. Ich kannte nur einen der Namen, Elliot Cohen, den Senior Vice President von irgendwas. Er lümmelte in der Ecke, trug ausgeblichene Cordhosen und ein Leinenhemd und hatte den hageren Körper und das offen herabfallende Haar eines Surfers. Ich kannte seinen Namen, weil er ein prominenter Hollywood-Schwertkämpfer war, und berüchtigt, weil er mit zwei der drei Freundinnen in Friends schlief, obwohl ich mich in dem Moment nicht erinnern konnte, mit welchen zwei. Er war ein Mann von Rang in der Branche. Er sah aus, als würde er gut riechen.
Ich stand in meinen Kellnerinnenklamotten am Kopfende des Tisches, knallte mit meinem Kaugummi und überlegte, ob ich noch rasch auf die Toilette gehen konnte. Ich kam zu dem Schluss, dass das keine gute Idee wäre, und versuchte, den wachsenden Druck in meiner Blase zu ignorieren.
Bucky Lefschaum zwinkerte mir zu und hielt beide Daumen hoch. Der Casting-Director begann mir die Stichworte
zu liefern. Inzwischen kannte ich die Szenen so gut, dass ich sie im Schlaf spielen konnte, was ich manchmal auch tat. Ich legte los. Das erste gute Zeichen folgte auf meine erste Pointe. Alle im Raum bogen sich vor Lachen. Dabei war die Pointe gar nicht so toll.
Das zweite gute Zeichen waren die unbenutzten Notizblöcke der Bosse. Die Fernsehleute hatten ihre kleinen gelben Blöcke vor sich liegen, ihre Stifte gezückt, bereit, ihre Kommentare festzuhalten. Etwa zehn Sekunden nachdem ich angefangen hatte, die schlagfertige Kellnerin Linda McCoy zu sein, lagen alle Stifte auf dem Tisch, die gelben Blätter unbeschrieben.
Als ich fertig war, klatschten alle.
»Na?«, fragte Bucky Lefschaum. »Was habe ich Ihnen gesagt?«
»Das war wunderbar, June.«
»Sie ist das ideale Pendant zu Delilah Cotton.«
»Alles klar?«, fragte Bucky. »Dann haben wir unsere Linda?«
Meine Augen waren geöffnet, aber ich schwebte im Äther. Alle Ängste und Enttäuschungen und Ressentiments, die Jahre der Absagen, all die Alumni-Zeitschriften, die groß über all die Erfolgstypen aus meiner Klasse berichteten, all das war von mir abgefallen und ließ mich so schwerelos zurück, dass ich meinen Körper nicht mehr spürte, den Boden unter meinen Füßen nicht mehr spürte.
»Ich habe da ein Problem.«
Und in null Komma nichts befand ich mich wieder in meinem Körper, der Höhenflug vor einer Sekunde ein fast vergessener psychedelischer Trip. Der Mann mit dem Problem
war Elliot Cohen. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und fuhr sich mit der Handfläche über die stoppelige Wange.
»Sie sieht genauso aus wie Cassie Whitelaw.«
»Wie wer?«, fragte Bucky.
»Ach herrje«, sagte eine Dame aus der Runde. »Stimmt. Das ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte Bucky. »Wen interessiert schon
Weitere Kostenlose Bücher