Alles auf eine Karte
Hände in die Hüften und seufzte.
»Tag, Waverly. Alles in Ordnung?«
Ich fuhr herum. Direkt neben mir an der Straßenecke stand Brad Cantor.
Ich seufzte erneut. »Ach, hallo, Brad. Ja, ja, alles okay. Ich bewundere nur gerade die Aussicht.«
»Ehrlich? Du wirkst so geknickt.«
Ich versuchte zu lächeln. »Nein, es ist alles bestens.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich.« Ich trat einen Schritt zurück, weil er mir wieder einmal viel zu nah auf die Pelle gerückt war.
»Na gut, wenn du es sagst.«
Ich wollte weitergehen, doch als ich seine besorgte Miene sah, brach ich stattdessen in Tränen aus, worauf er sichtlich in Panik geriet und hastig ein Stofftaschentuch zückte. »Äh, hier.«
»Danke.« Ich wischte mir über die Augen. Oh, Mann, jetzt fing ich sogar schon in der Gegenwart von Brad Cantor an zu heulen. Ob es auf diesem Erdball außer ihm wohl einen einzigen Menschen unter siebzig gab, der Stofftaschentücher mit sich führte?
»Möchtest du darüber reden?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Danke für das Angebot, Brad, aber … nein.«
»Sicher nicht?«
Ich schüttelte den Kopf und putzte mir dann die Nase.
»Okay …«, sagte er und stand eine Weile einfach nur da.
»Es ist wegen meiner Arbeit«, platzte ich hervor. »Man hat mir heute ein wichtiges Projekt entzogen.«
Ich dachte flüchtig an Shane Kennedy und daran, wie ich ihm vor der Toilette von Morton’s Steakhouse in Atlanta anvertraut hatte, ich hätte Angst davor, als alte Jungfer zu sterben. Jetzt stand ich hier an einer Straßenecke in San Francisco und erzählte Brad Cantor, mit dem ich bisher nie mehr als zwei Worte gewechselt hatte, von meinem Ärger im Job.
»Das tut mir leid«, sagte Brad. »Was machst du eigentlich beruflich? Vertrieb?«
Ich schüttelte den Kopf, den Blick auf den Boden geheftet. » PR .«
»Und heute hast du ein wichtiges Projekt verloren?«
»Ja.« Ich nickte.
»Hast du einen schlimmen Fehler gemacht, oder so?«
»Ich glaube nicht«, sagte ich. »Es gab einen Personalwechsel in der betreffenden Firma, und die neue Abteilungsleiterin will wohl frischen Wind in die Kampagne bringen. Vielleicht liegt es aber auch bloß daran, dass sie mich nicht ausstehen kann.«
»Tja, dann solltest du dir deswegen keine Vorwürfe machen, Waverly. Manchmal ist es ganz egal, wie gut man ist oder wie sehr man sich ins Zeug gelegt hat, der Kunde will trotzdem etwas anderes. Das kann man nicht beeinflussen.«
Ich sah zu ihm hoch. »Meinst du? Mir ist so etwas noch nie passiert.«
Er lachte. »Dann hattest du bisher einfach das Glück, dass sich dir das Leben von seiner Schokoladenseite präsentiert hat. Also, wie gesagt, zerbrich dir deswegen nicht den Kopf. Es gibt Wichtigeres als so ein Projekt. Und du kennst ja diesen Spruch – wenn eine Tür zugeht, öffnete sich woanders eine neue.«
Ich starrte ihn entgeistert an. Wer hätte gedacht, dass Brad Cantor einen derartigen Schatz an Weisheiten auf Lager hatte?
»Meinst du wirklich?«, fragte ich erneut.
»Na klar. Sieh es einfach als Chance, von nun an das zu tun, was du vielleicht ohnehin viel lieber tun würdest. Du hast dein Leben selbst in der Hand, Waverly. Also, sieh zu, dass du es genießt.«
Ich nahm noch einmal das Stofftaschentuch zur Hand und tupfte mir die Augen trocken. »Danke, Brad. Ich glaube, ich fange allmählich an, das zu begreifen.« Wie kam es nur, dass ich in letzter Zeit ständig irgendwelchen Männern, die ich kaum kannte, mein Herz ausschüttete? Ich dachte an Aaron und meinen Dad, an Davey und Kent. Vielleicht sollte ich mich ja eher fragen, wieso ich offenbar unfähig war, mich den Männern anzuvertrauen, die mir am nächsten standen?
Ich betrachtete Brad in seiner gelben Kapuzenweste. Im Grunde war er ja ein ganz sympathischer Kerl, und er sah auch gar nicht so übel aus. Wahrscheinlich würde mir kein Zacken aus der Krone brechen, wenn ich hin und wieder ein bisschen netter zu ihm wäre. Vielleicht konnten wir ja Freunde werden. Ich könnte ihn sogar einigen meiner Singlefreundinnen vorstellen … Hmm … Andie kannte ihn bereits, und der wäre er garantiert nicht gewachsen. Ich dachte an unsere Assistentin Nicole. Nein, die war zu jung. Welche meiner Freundinnen waren sonst noch Single?
»Also, kommst du?«, fragte Brad.
Ich blinzelte. »Wie bitte? Entschuldige, ich war kurz mit den Gedanken woanders. Was hast du gesagt?«
»Ich habe dich gefragt, ob du zu meiner Superhelden-Party am Samstag in zwei Wochen kommst. Ich
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