Alles auf eine Karte
sie auf mich zu und streckte mir die Hand entgegen.
»Waverly Bryson! Wie schön, Sie endlich kennenzulernen.«
Ich ergriff ihre Hand. »Hallo, Tracy.«
Meine Angst war mir offenbar an der Nasenspitze anzusehen, denn sie legte mir eine Hand auf die Schulter und sagte lachend: »Keine Sorge, es wird bestimmt lustig. Versprochen.«
»Ich nehme Sie beim Wort.«
Sie nickte. »Vielleicht wird es auch ein bisschen peinlich, aber vor allem lustig. Und es ist schließlich für einen guten Zweck, nicht?«
»Tja, wer wohltätig sein will, muss leiden …«
»Das ist die richtige Einstellung.« Sie zwinkerte mir zu und bedeutete dann den anderen, sich um sie zu versammeln.
Nach zehn Minuten wurden wir in den Backstagebereich geführt und jeweils mit großen, runden Schildern versehen, auf denen unsere Nummern standen. Durch den Vorhang hindurch konnten wir hören, dass sich der Saal draußen füllte. Wie viele Leute wohl gekommen sein mochten? Ich sah an mir herunter und betrachtete dann die anderen Singles in der Schlange vor und hinter mir. Alle scherzten und plauderten miteinander, mit einer Aufgekratztheit, die mir verriet, dass ich nicht die Einzige war, die sich etwas albern vorkam. Bis auf einige wenige Leute aus der aktuellen Ausgabe von 50 Most Beautiful People erkannte ich niemanden.
»Na, sind Sie bereit, Nummer sieben?«, erkundigte sich der Mann, der hinter mir stand.
Ich lachte. »Na ja, es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, Nummer acht.«
»Ich glaube, mir wird gleich schlecht«, stellte Nummer sechs fest.
Ich vernahm eine gedämpfte Männerstimme, die den Beginn der Auktion ankündigte.
Dann wurde heruntergezählt. »Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins …«
Ich biss mir auf die Unterlippe.
»Meine Damen und Herren, Applaus für unsere Singles!«
Als sich der Vorhang öffnete, hatte ich kurz das Gefühl, direkt in die Sonne zu blicken. Das Scheinwerferlicht blendete, das Publikum spendete tosend Beifall. Ich hörte Tracy »Jetzt!« rufen, worauf sich die Schlange in Bewegung setzte. Ich konnte gerade mal einen Meter weit sehen, also folgte ich einfach Kandidatin Nummer sechs vor mir. Während wir über die Bühne stolzierten, merkte ich, wie ich beim Versuch zu lächeln verkrampfte. Warum hatte ich nicht noch ein Glas Wein getrunken?
»… Nummer sieben, Waverly! Nummer acht, Jason! Nummer neun, Brady! …«
Wir marschierten einmal über die Bühne und retour, wobei wir wegen der Scheinwerfer blindlings ins Nichts lächelten. Dann begaben wir uns in den Aufenthaltsraum, und das Warten begann. Zum Glück hatte ich die Nummer sieben und nicht die Nummer siebenundzwanzig. Ich konnte es kaum erwarten, dass Nummer eins zurückkam und uns Bericht erstattete, damit wir erfuhren, was uns erwartete.
Allerdings kehrte Nummer eins nicht in den Aufenthaltsraum zurück. Und auch Nummer zwei und drei bekamen wir nicht mehr zu Gesicht.
»Mist«, murmelte ich, als sich Nummer vier erhob, um auf die Bühne zu gehen. »Da draußen ist irgendwo ein schwarzes Loch.«
»Nervös, Nummer sieben?«, fragte mich Nummer acht. Ich hatte ihn schon einmal gesehen, konnte mich aber nicht erinnern, wo.
Ich nickte. »Ein bisschen. Sie nicht?«
»Nö, ich genieße das hier.«
»Sie genießen es, sich versteigern zu lassen?«, fragte ich.
Er lachte. »Nein, ich genieße es, auf der Bühne zu stehen. Ich bin Sänger.«
Da fiel mir wieder ein, woher ich ihn kannte: »Hey, waren Sie nicht vor einiger Zeit Kandidat bei American Idol ?«, fragte ich.
Er lächelte.
»Ich liebe American Idol «, schwärmte ich.
»Ich auch«, pflichtete er mir bei. »Vorher war ich Mechaniker, und sehen Sie mich jetzt an. Das hier mache ich sehr viel lieber, als Autobatterien auszutauschen.«
Mir ging es ähnlich. Das hier war mir sehr viel lieber, als Pressemitteilungen zu verfassen, auch wenn ich gerade das Gefühl hatte, mich gleich übergeben zu müssen.
»Und, was machen Sie ?«, wollte er wissen.
»Oh, ich schreibe lustige Grußkarten für Singlefrauen. Süße Grüße heißen sie.«
»Cool«, sagte er. »Gefällt mir.« Er hatte offensichtlich noch nie von mir und meinen Karten gehört, aber das war mir egal, denn ich hatte mir zum ersten Mal seit langer Zeit nicht gewünscht, eine andere Antwort auf die Frage »Und was machen Sie?« parat zu haben.
Ich lächelte. »Danke. Mir auch.«
Die Tür schwang auf, und Tracy steckte den Kopf herein. »Waverly, Sie sind dran.«
»Ogottogott.« Ich erhob
Weitere Kostenlose Bücher