Alles auf eine Karte

werden dafür sorgen, dass die Gespräche nicht länger als eine Viertelstunde dauern, damit’s nicht zu langweilig wird. Hier haben Sie schon mal den Zeitplan für heute, und falls sich noch zusätzliche Termine ergeben, informieren wir Sie natürlich. Ich hoffe, wir haben Ihnen nicht zu viel aufgehalst.«
    »Das wird ein Kinderspiel für Sie, Shane«, winkte Davey ab und tat, als würde er einen Basketball ganz locker aus dem Handgelenk in den Korb befördern.
    »Alles klar.« Shane nickte. »Danke.«
    Er bedankte sich bei uns? Erstaunlich, wie höflich und bescheiden dieser Mann war! Höchst ungewöhnlich für einen Basketballstar. Genau wie die Tatsache, dass er ohne dicke Goldketten auskam. Er schien noch nicht einmal tätowiert zu sein.
    *
    Um Punkt neun öffneten sich die Tore des Messegeländes, und das Chaos nahm seinen Lauf. Ich fühlte mich an den Stierlauf in Pamplona erinnert, als sich die Menschenmenge in die riesige Halle ergoss. Kent und ich postierten uns im Vorderteil des Standes, um das wilde Treiben zu verfolgen und auf die ersten Reporter zu warten.
    »Weißt du was, ich gehe noch schnell für kleine Mädchen. Bin gleich wieder da«, sagte ich.
    »Verlauf dich nicht.«
    Ich eilte zu den Toiletten im hinteren Bereich des Pavillons, wobei ich mir prüfend mit der Hand über den Kopf fuhr. Wenn ich über die Kunstfaserteppiche in diesen Messehallen gehe, sind meine Haare immer total statisch aufgeladen, als hätte ich an einem Experiment im Physikunterricht teilgenommen.
    Auf dem Rückweg hielt ich am Stand eines kleinen Fitnessgeräteherstellers an und schnappte mir ein paar Minischokoriegel aus einer Glasschale. Ich packte einen davon aus und steckte ihn in den Mund, was ich sogleich bereute, denn ich verschluckte mich beim Gehen fürchterlich. Hustend klopfte ich mir ein paarmal auf die Brust, bis das dämliche Ding wieder aus meiner Kehle geflutscht kam. Da stand ich nun, mit einem halbzerkauten Milky Way in der Hand, und kein Mülleimer weit und breit. Dummerweise hatte ich auch kein Taschentuch dabei. Also schob ich es mir kurzerhand wieder in den Mund. Nicht sehr appetitlich, ich weiß, aber hey, Schokoriegel ist Schokoriegel, stimmt’s?
    Dann hastete ich mit tränenden Augen weiter. Hoffentlich lief mir Gabrielle Simone jetzt nicht über den Weg! Ich hatte garantiert ein knallrotes Gesicht. Zu allem Überfluss begann in diesem Augenblick auch noch mein Handy zu klingeln. Ich sah auf das Display und stöhnte. Mein Dad, der ewige Frühaufsteher. Normalerweise schlief ich noch, wenn er um diese Zeit anrief. Da ich gerade beim besten Willen nicht rangehen konnte, ließ ich es klingeln und steckte das Telefon wieder ein.
    Als ich den Kopf hob, sah ich einen gut aussehenden Mann geradewegs auf mich zu kommen.
    Einen extrem gut aussehenden Mann. Er war braungebrannt und etwa eins fünfundneunzig groß, und er hatte kurzes braunes Haar und strahlend blaue Augen.
    »Alles klar?«, fragte er und lächelte. Genauer gesagt, er gluckste verschmitzt in sich hinein.
    Ich starrte ihn an, brachte jedoch kein Wort heraus, weil ich noch immer das Milky Way im Mund hatte. Nicht, dass ich in der Gegenwart von derart attraktiven Männern jemals einen sinnvollen Satz zustande gebracht hätte. »Äh, ja, alles okay«, nuschelte ich schließlich. Hatte er womöglich beobachtet, wie ich mir meinen hervorgewürgten, halbzerkauten Schokoriegel wieder in den Mund gesteckt hatte?
    Ich blieb gar nicht erst stehen, so peinlich war mir die ganze Aktion, sondern marschierte einfach an ihm vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. An der Ecke bog ich ab und gesellte mich zu Kent an unseren Messestand.
    »Geht’s dir gut?«, erkundigte er sich. »Dein Gesicht ist ganz rot.«
    Na, toll.
    »Ich werd’s überleben«, sagte ich.
    »Es ist so cool hier«, bemerkte Kent. »Ich habe schon Mia Hamm und Nomar Garciaparra gesehen, und ich glaube, auch Wayne Gretzky, aber bei dem war ich mir nicht ganz sicher, weil er eine Baseballkappe trug.«
    Ich hatte inzwischen in der Menschenmenge ein vertrautes Gesicht erspäht. »Hey, da ist ja Scotty Ryan.«
    »Wer?«, fragte Kent.
    »Scotty, ich meine, Scott Ryan. Er arbeitet für die Today Show und hat eine Weile auch in San Francisco gelebt. Ich habe erst heute Morgen einen Bericht von ihm gesehen. Komm mit, ich stelle ihn dir vor.« Ich hob den Arm und winkte. »Hey, Scotty! Hier drüben!«
    Scotty fuhr herum, sagte etwas zu seinem Kamerateam und kam sogleich angetrottet.