Alles auf eine Karte
fügte Davey hinzu.
»Du warst verlobt?«, stieß Kent hervor. »Das wusste ich ja gar nicht. Was ist passiert?«
Ich schluckte und starrte die Wand hinter ihm an. »Och … ähm … wir haben einfach nicht zueinander gepasst.«
»Sie hat dem Knaben das Herz gebrochen«, echauffierte sich Davey. »Hat die Hochzeit zwei Wochen vor dem großen Tag abgeblasen. Der arme Kerl hatte nicht die geringste Chance.«
Ich kippte ein Tütchen Zucker in meinen Kaffee und seufzte. »Könnten wir bitte das Thema wechseln? Ich bin sicher, das interessiert Mister Kennedy nicht die Bohne.«
»Mal ganz ehrlich, Waverly, du bist viel zu anspruchsvoll.« Davey ließ nicht locker. »Also, meiner Meinung nach kann man das Liebesleben mit dem Leben im Dschungel vergleichen. Die Beziehung ist eine Liane, und wenn sich die Beziehung totgelaufen hat, dann ist das im Grunde so, als würde man an einer Liane hängen, die nicht mehr schwingt. Mag ja sein, dass du Ausschau nach einer neuen Liane hältst, nach einer kräftigeren, einer stabileren, oder nach einer, die du schöner findest. Wenn dir aber keine gut genug erscheint, oder wenn du einfach nicht genügend Energie hast, um auf eine andere Liane zu springen, dann baumelst du für den Rest deines Leben am Ende einer abgestorbenen Liane, weil du aus Angst, in den Abgrund unter dir zu fallen, den Sprung gar nicht erst wagst.« Er begleitete seine Ausführungen mit weit ausholenden, affenartigen Armbewegungen und diversen Tierlauten.
Da war es – mein dysfunktionales Liebesleben als Einakter, aufgeführt in einem überfüllten Restaurant von einem vierunddreißig Jahre alten Schimpansen.
»Bravo, mein Lieber. Bravo.« Kent erhob sich und klatschte.
Davey senkte bescheiden das Haupt. »Ich stelle nachher ein Körbchen für’s Trinkgeld vor meine Zimmertür.«
»Vielen herzlichen Dank für diese interessante Darbietung, Davey. Würdest du jetzt netterweise den Schnabel halten?«, sagte ich.
Shane sah mich an. »Warum nennen Sie ihn eigentlich Davey?«
»Wie soll ich ihn denn sonst nennen? Sehen Sie sich doch mal dieses süße Kleine-Jungen-Gesicht an.« Ich zeigte auf Davey. »Und außerdem habe ich ein Faible für Spitznamen.«
Davey verdrehte die Augen. »Danke, Bryson. Süßes KleineJungen-Gesicht, das hört man gern als gestandener Mann. Aber lassen wir das. Ich finde wirklich, du solltest dich viel öfter mit Männern verabreden, Waverly. Wenn ihr meine fachkundige Meinung hören wollt …«
Ich sah von meiner Kaffeetasse hoch. » Deine fachkundige Meinung?«
Er nickte. »Jawohl, meine fachkundige Meinung. Also: Wenn ihr meine fachkundige Meinung hören wollt, ist Miss Bryson hier die typische Vertreterin einer Bewegung, die ich Zirkel des Hasses nenne und die seit Jahrhunderten selbst die wackersten Angehörigen des starken Geschlechts in die Knie zwingt.«
Shane und Kent ließen ihre Gabeln sinken.
»Ich glaub, ich hör nicht recht«, sagte ich. »Zirkel des Hasses? Was soll denn das sein?«
»Der Zirkel des Hasses ist ein Ring aus negativer Energie, der die in Rudeln auftretenden schönen Frauen in Bars umgibt. Wisst ihr Frauen eigentlich, wie viel Mut ein Normalsterblicher braucht, um sich in die Nähe eines solchen Kraftfeldes zu wagen? Schon die bloße Anbahnung eines Gesprächs kann bei einem Mann in einer solchen Gesellschaft emotionale Wunden hinterlassen, die erst nach Jahren heilen.«
»Der Zirkel des Hasses?«, sagte Shane ungläubig.
Davey nickte. »Mörderisch.«
Ich barg das Gesicht in den Händen. »Davey, diesmal hast du dich selbst übertroffen.«
»Bravo«, lobte Kent ihn erneut.
Shane grinste, war aber ganz offensichtlich zu dem Schluss gekommen, dass wir alle einen Dachschaden hatten.
*
Nach dem Abendessen beschloss Shane, ins Hotel zurückzukehren, und Davey wollte mit Kent auf eine Party des Labels Nelson Tennis. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, die beiden zu begleiten, doch als ich mich entscheiden musste, gewann die Vernunft die Oberhand. Ich schüttelte den Kopf. »Sorry, Jungs, aber im Moment finde ich die Aussicht auf meine rosa Bettwäsche und ein bisschen Fernsehen einfach viel verlockender als den Gedanken an eine überfüllte Party.«
»Ach, komm schon, Bryson«, sagte Davey, der soeben in seinen Mantel schlüpfte. »Jetzt mach hier nicht auf Einsiedlerkrebs.«
Kent erhob sich. »Bist du sicher, Waverly? Was, wenn der Mann deiner Träume auf dieser Party ist?«
Ich gähnte. »Dann sag ihm, es tut mir leid, dass wir uns mal wieder
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