Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
nie wieder glücklich sein, habe ich gesagt. Aber jetzt bin ich es. Manchmal denke ich sogar, das hier mit uns ist besser, als es mit Colleen je war. Es ist tiefer, erwachsener. Es ist einfach … besser. Und dann danke ich dem lieben Gott und dem Internet, dass ich dich kennengelernt habe! Und dann habe ich sofort ein schlechtes Gewissen, weil es irgendwie so ist, als wäre ich froh, dass sie gestorben ist.«
»Ja.« Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm glauben sollte oder ob er das nur sagte, damit sie sich besser fühlte.
»Ich weiß nicht, ob du mir das glaubst, aber es ist die Wahrheit. Hast du noch nie Gedanken gehabt, die sich völlig widersprechen? Kann man nicht heute das und morgen genau das Gegenteil fühlen?«
»Wahrscheinlich schon. Ja, ich denke schon.«
Diese Rolle gefiel ihr nicht sonderlich, sie empfand sie als eine Spur demütigend. Sie sollte diejenige sein, die die klugen Fragen stellte, die die emotional Zurückgebliebenen behutsam zu neuen Einsichten führte.
»Und das Dumme ist, dass ich jedes Mal, wenn mir solche Gedanken kommen, das Gefühl habe, ich müsste es Colleen gegenüber wiedergutmachen, indem ich mich an die schönen gemeinsamen Zeiten erinnere. Als Buße sozusagen. Das heißt, je besser es mit uns beiden ist, desto häufiger denke ich an sie. Ergibt das einen Sinn? Ich weiß es selbst nicht. Vielleicht ist das irgendwie was Katholisches.«
»Ich finde schon, dass das einen Sinn ergibt.«
»Na ja, jedenfalls verbringe ich meine Zeit nicht damit, dich und Colleen miteinander zu vergleichen, so als ob ihr in einer Art ständigem Wettbewerb stündet – wer ist die bessere Ninja-Kämpferin oder so. Ehrlich gesagt sind meine Gedanken meistens ziemlich banaler Natur: Mmm, jetzt ein Lammkotelett … oder wie schaffe ich es, Jack bei Tomb Raiders auf Level 4 zu schlagen. Solche Dinge eben.«
Ellen pickte sich zwei Marshmallows aus der Tüte und quetschte sie zwischen ihren Fingerspitzen zusammen.
»Als Colleen starb, redeten die Leute plötzlich über sie wie über eine Heilige. Sie setzten eine todtraurige Miene auf, so als ob unsere Ehe etwas Einmaliges, Wunderbares gewesen wäre, so als ob wir uns nie gestritten hätten. Und mit der Zeit habe ich das selbst geglaubt. Ich war jünger. Alles war einfacher. Ich denke, das ist der Grund, warum ich das letzte Nacht gesagt habe. Klar, dass ich nie wieder eine andere Frau lieben werde, wie ich Colleen geliebt habe, weil ich nie wieder achtzehn sein und mich zum ersten Mal verlieben werde, aber das heißt nicht, dass ich dich nicht lieben würde. Umgekehrt gilt das Gleiche. Ich habe Colleen nie geliebt, wie ich dich liebe.« Ellen musste urplötzlich gähnen, und Patrick lachte. »Eigentlich sollte ich doch derjenige sein, der gähnt, während du über deine Gefühle redest. Aber langer Rede kurzer Sinn: Ich liebe dich von ganzem Herzen. Nicht halbherzig, nicht als zweite Wahl. Ich liebe dich ! Ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen, damit ich es dir beweisen kann – mehr kann ich nicht tun, als das zu sagen. Hast du das kapiert, meine verrückte kleine Hypnotherapeutin?«
Er legte seine Hand an ihren Hinterkopf und küsste sie mit einer Leidenschaft, als ob sie sich am Bahnhof voneinander verabschiedeten, weil er in den Krieg zog.
Ein Gefühl tiefen Friedens durchflutete Ellen. Das lag weniger an dem, was er gesagt hatte, als vielmehr an den beiden steilen Falten zwischen seinen Augen, die höchste Konzentration verrieten,so als wäre es ihm über alle Maßen wichtig, dass sie ihn verstand. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie fürchterlich müde war und Luisa ein Kind erwartete und die Veröffentlichung des Zeitungsartikels gestoppt worden war.
»Ja, ich glaub, ich hab’s kapiert«, stieß sie atemlos hervor, als sie sich voneinander lösten, um Luft zu holen.
»Gott sei Dank. Ich habe nämlich noch nie im Leben so viel über Gefühle geredet wie in den letzten zwei Stunden.« Er nahm ein Marshmallow aus der Tüte und gab es Ellen. »Hier. Das ist das letzte. Siehst du, das ist Liebe. Und jetzt ab ins Bett!«
26
Enrique Peñalosa, der frühere Bürgermeister der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá, war der Meinung, dass wir Städte der Freude schaffen sollten. Sein Ziel war es, die städtische Infrastruktur einem einzigen Zweck zu unterwerfen: dem Glück. Können wir als Städteplaner das Glück planen? Planen wir das Glück?
A US EINEM V ORTRAG AUF EINEM S EMINAR, AN DEM S ASKIA B ROWN NACH DEM T OD
Weitere Kostenlose Bücher