Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
ansehen musste, fasste sie mich bei den Schultern und drehte mich wieder in Richtung Spiegel. Und wenn ich meine Hände hob und mir die Augen zuhielt, nahm sie sie sanft herunter.
Und irgendwann blieb ich endlich ganz still stehen und schaute in den Spiegel.
Es war kein schöner Anblick.
Sie zählte mir in sachlichem, kühlem Ton auf, welche möglichen Folgen mein Verhalten für Patrick haben konnte: Angstzustände, Depressionen, posttraumatischer Stress.
»Ich glaube wirklich nicht … «, begann ich und verstummte wieder.
»Es gibt Untersuchungen, die das eindeutig belegen.«
»Was Sie nicht sagen«, murmelte ich.
»Sie haben das gewusst«, sagte sie. »Ich glaube, dass ein Teil von Ihnen ganz genau gewusst hat, was Sie ihm antun.«
»Ich könnte ihm ja eine Karte schicken und mich entschuldigen«, erwiderte ich schließlich.
Es war ein so dummer, schlechter Witz, dass sie es nicht für nötig hielt, darauf zu reagieren. Sie sah mich nur an, sie trieb mir die Nadel direkt ins Herz, und ich flatterte und zappelte noch eine Weile, aber meine Bewegungen wurden immer schwächer, bis ich zu guter Letzt erstarrte.
Das mit der Karte war wirklich nur ein Scherz gewesen. Seit meiner Entlassung aus dem Krankenhaus hatte ich nicht mehr versucht, Kontakt zu Patrick aufzunehmen oder ihn zu sehen. Ich ging auch nicht mehr zu Jacks Fußballspielen. Es reizte mich gar nicht mehr. Nicht wirklich. Es war, als wäre mir von etwas, das ich früher schrecklich gern gegessen hatte, furchtbar schlecht geworden. Ich wusste zwar noch, wie gut es geschmeckt hatte, aber sooft ich auch nur daran dachte oder reflexartig danach griff, erinnerte ich mich sofort wieder an die grässliche Übelkeit und ließ die Finger davon. Mein Widerwille war stärker als meine Lust darauf.
Wir redeten viel über Trauer, Trauer um den Verlust meiner Mutter und Patricks und Jacks, Trauer um die Kinder, die ich nie haben würde. Wir redeten darüber, wie ich meine Trauer als Waffe gegen Patrick benutzte, wie ich meinen Schmerz und meine rasende Wut nach außen gekehrt hatte, von mir weg, als hätte man mir ein Flammenschwert in die Hand gedrückt und ich wäre damit auf Patrick losgegangen, mit einer verzweifelten, blindwütigen und letztlich aussichtslosen Anstrengung, weil ich verhindern wollte, selbst verbrannt zu werden.
Ich verbrauchte einen ganzen Haufen Papiertaschentücher.
Wir redeten darüber, dass Patricks Entscheidung, sich von mir zu trennen, gar nichts mit mir zu tun hatte, sie hatte nur mit ihm und seiner Trauer um Colleen zu tun. »Wäre Ellen diejenige gewesen, die ihn auf der Konferenz damals kennengelernt hätte, würde er sich vermutlich auf die gleiche Weise von ihr getrennt haben«, sagte meine Therapeutin.
»Nein, bestimmt nicht«, widersprach ich. »Sie sind Seelenverwandte. Bei den beiden war es die wahre Liebe.«
»Es war Timing«, erwiderte sie.
Wir redeten über Freundschaft und wie ich durch meine eigene Schuld durch das Netz sozialer Bindungen gefallen war. Wir redeten über Hobbys – außer dem, seinen Exfreund zu verfolgen und zu terrorisieren. Wir redeten über künftige Beziehungen und wie man mit Zurückweisung fertig wurde.
Ich verbrauchte nicht mehr ganz so viele Papiertücher.
Dann, eines Tages, plauderten wir über einen Film, den ich mir am Wochenende angesehen hatte, und über ein neues Fischrezept, das ich ausprobiert hatte, und darüber, dass wir beide eigentlich mehr Fisch essen wollten. Und am Ende der Sitzung sagte meine Therapeutin, sie denke nicht, dass ich einen Termin für die folgende Woche brauche, und so vereinbarte ich auch keinen mehr. Ich ging stattdessen zur Pediküre.
Ellen hatte mir geraten, aus Sydney wegzuziehen, aber das habe ich nicht getan. Ich würde meine Freunde viel zu sehr vermissen. Tammy hat sich noch keine eigene Wohnung gesucht, sie wohnt bei mir. Janet und Peter, unsere Nachbarn, sind Freunde geworden. Wir unternehmen viel zusammen, und ihre Kinder gehen bei uns aus und ein. Letztes Wochenende haben Tammy und ich uns um sie gekümmert, damit Janet und Peter einmal wegfahren konnten.
Ich war ein paar Monate tatsächlich mit Janets Bruder, dem Surfer, zusammen. Er war amüsant, und eine Zeit lang war es eine gute Ablenkung, aber seine Beziehung war gerade in die Brüche gegangen, so wie meine auf gewisse Weise ja auch, und das machte uns beide verletzlich und irgendwie merkwürdig im Umgang miteinander. Die Geschichte klang ganz langsam, freundschaftlich aus.
Wir sind
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