Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
war er.«
Ich erwiderte nichts darauf. An mein Leben nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wollte ich gar nicht denken. »Sie zählen doch sicher schon die Tage«, sagte neulich eine Krankenschwester zu mir, und ich antwortete, ja, stimmt. Ich zählte die Tage, aber nicht so, wie sie das meinte. Mir wurde übel bei dem Gedanken daran, nach Hause, in mein richtiges Leben zurückzukehren.
»Ihr hättet einen Kräutertee nach dem Yoga trinken sollen«, sagte ich schließlich.
Kate nickte. »Ich weiß. Wahrscheinlich hat das Koffein den Energiefluss ruiniert.«
Wir schwiegen aufs Neue. Ich liebte die rhythmischen Bewegungen der Stricknadeln, das befriedigende Gefühl, wenn sich Masche an Masche reihte, Reihe an Reihe.
»Du bist ja richtig süchtig danach geworden.« Kate deutete mit dem Kinn auf mein Strickzeug.
»Das hat irgendwie eine hypnotische Wirkung«, erwiderte ich.
Und ich sah das Gesicht der Hypnotiseurin vor mir, damals, als ich sie das erste Mal aufgesucht und mich als Deborah ausgegeben und wir nebeneinander am Fenster gestanden und aufs Meer geschaut hatten. Eine Ewigkeit schien das her zu sein.
Am Tag nach meiner Knöcheloperation war die Polizei bei mir gewesen. Zwei Beamte, ein Mann und eine Frau. Sie kamen mir sehr jung vor, doch das änderte nichts daran, dass ich Angst hatte und mich gedemütigt fühlte und brennende Scham verspürte. Was würde meine Mutter denken? Sie hatte immer solchen Respekt vor der Polizei gehabt. Sie lasen mir meine Rechte vor, und es hörte sich ein bisschen anders an als in den amerikanischen Krimiserien, nüchterner, nicht so spektakulär, aber deshalb umso angsteinflößender.
»Erzählen Sie, wie sind Sie hier gelandet?«, fragte der Beamte und deutete auf mein Krankenbett. Dann zog er einen Notizblock hervor.
Ich erzählte, was passiert war, und die beiden hörten mit ausdrucksloser Miene zu. Wahrscheinlich haben sie schon Schlimmeres gehört.
Ob mir klar sei, dass Stalking eine Straftat sei, fragten sie dann und erklärten mir, sie stellten mir hiermit eine nach dem Gewaltschutzgesetz ausgestellte einstweilige Verfügung zu, die sofort wirksam sei und die es mir untersage, mich Patrick, seinem Wohnhaus oder seinem Arbeitsplatz auf weniger als hundert Meter zunähern und ihn »tätlich anzugreifen, ihn in irgendeiner Form zu belästigen, zu bedrohen, zu terrorisieren, zu verfolgen oder zu stalken«. Ich hätte die Möglichkeit, vor Gericht Einspruch gegen die einstweilige Verfügung einzulegen. Sie sagten das in einem Ton, der mir klarmachte, dass ich keinen Erfolg damit hätte. Verstöße gegen die Auflagen würden mit einer Geldstrafe von fünftausend Dollar oder zwei Jahren Haft geahndet, fügten sie hinzu.
Tätlich angreifen. Belästigen. Bedrohen. Terrorisieren. Verfolgen. Stalken.
Diese Wörter haben sich meinem Gedächtnis unauslöschlich eingebrannt. Diese Wörter bezogen sich auf mich: ein braves Mädchen; eine Aufsicht führende Schülerin; eine Pazifistin; eine Frau, die weinte, als sie ihren ersten und einzigen Strafzettel wegen Geschwindigkeitsübertretung bekam.
Aber das war noch nicht alles.
Es lag eine Anzeige wegen Einbruchs gegen mich vor. Die Polizistin überreichte mir eine gerichtliche Vorladung, aber meine Hand zitterte so sehr, dass ich das Papier fallen ließ. Die Polizistin bekam es zu fassen, bevor es auf dem Fußboden landete. Sie legte es sachte auf meinen Nachttisch, und eine Sekunde lang wich der amtliche Glanz aus ihren Augen, und ich sah eine Spur Mitleid in ihrem Blick.
Dann gingen sie wieder, die Waffen im Halfter. Mein Herz klopfte noch drei Stunden später wie verrückt.
»Durchs Stricken habe ich Lance kennengelernt«, sagte Kate. »Er saß in der Straßenbahn neben mir und fragte: ›Was stricken Sie denn da?‹«
»Tolle Anmache.«
»Ja, nicht wahr?« Kate nickte. »So originell. Was ist mit dir? Du bist Single, oder?«
»Ich hatte in den letzten drei Jahren keine Beziehung, aber ich habe mich nicht wirklich als Single gefühlt«, antwortete ich.
»Wie meinst du das?« Kate blickte kurz auf, während ihre Stricknadeln weiterklapperten.
Ich würde es ihr nicht erzählen. Ich kannte die Frau ja kaum. Ich hatte das Recht zu schweigen. Aber plötzlich sprudelten die Worte nur so aus mir heraus.
Er ist früh dran, dachte Ellen, als sie zur Tür ging.
Ihr Vater wollte sie abholen. Sie würden – lustigerweise – eine Veranstaltung in Parramatta besuchen, das Olivenfest. Das war Davids Idee gewesen.
»Könnte
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