Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
interessant sein«, hatte er gemeint, als er Ellen angerufen und den Vorschlag gemacht hatte. »Das Fest findet in Elizabeth Farm statt. Ich weiß nicht, ob du schon mal dort gewesen bist. Das ist die älteste noch existierende europäische Siedlung Australiens.« Anscheinend las er das aus irgendeiner Broschüre vor. Er räusperte sich. »Klingt, als könnte es ganz lustig werden. Mal was anderes.«
Ellen wünschte, sie würde ihre Verabredungen mit ihrem Vater nicht andauernd mit Internetdating vergleichen (das war so schrecklich unpassend), aber er erinnerte sie unweigerlich an einen gewissen Typ Mann, einen, der übermäßig erpicht darauf war, sie zu beeindrucken, und sich viel zu viel Mühe gab, sich Vorschläge für gemeinsame Unternehmungen auszudenken, die »interessant, mal was anderes« waren.
Der Gedanke, dass ihr Vater im Internet nach Veranstaltungstipps suchte, um seiner fünfunddreißigjährigen Tochter eine Freude zu machen, so wie er sie vermutlich in einen Vergnügungspark mitgenommen und ihr ein Stofftier gekauft hätte, wenn sie sich dreißig Jahre früher begegnet wären, dieser Gedanke brach ihr fast das Herz. »Wir brauchen nicht unbedingt etwas zu unternehmen, wir können einfach nur reden«, hätte sie am liebsten zu ihm gesagt, aber sie war sich nicht sicher, worüber sie hätten reden können. Zum Teufel mit ihrer Mutter!
Ein liebevolles, töchterliches Lächeln auf den Lippen, öffnete sie die Tür und sah sich einer Frau mit dunkler Sonnenbrille und tief ins Gesicht gezogener Baseballmütze gegenüber.
»Lassen Sie mich rein, schnell!«
»Wie bitte?«, fragte Ellen ganz perplex.
Die Frau schob ihre Sonnenbrille so weit herunter, dass blaue Augen zum Vorschein kamen, die Ellen irgendwie bekannt vorkamen. »Entschuldigen Sie den dramatischen Auftritt. Ich bin’s, Rosie. Die Fotografen sind schon den ganzen Tag hinter mir her.«
Ellen öffnete die Tür weiter und ließ Rosie herein. Sie hatte weder von Ian Roman noch von der Reporterin noch einmal etwas gehört, und sie hatte es aufgegeben, Nachrichten für Rosie zu hinterlassen.
»Wieso sind die Fotografen hinter Ihnen her?«
»Haben Sie die Zeitung noch nicht gelesen?« Rosie nahm ihre Mütze und ihre Sonnenbrille ab. Sie war braun gebrannt und sah hübsch aus, glücklicher, als Ellen sie je gesehen hatte.
»Nein, warum?« Ihr Herz schlug schneller.
Obwohl Mary-Kate versichert hatte, der Artikel sei vom Tisch, hatte Ellen jedes Mal beim Durchblättern der Zeitung ein mulmiges Gefühl. Wie mochte es wohl sein, unter irgendeiner abscheulichen Schlagzeile mit dem eigenen Gesicht und dem eigenen Namen konfrontiert zu werden? Auf einmal konnte sie sich sehr gut in Leute hineinversetzen, die negativ in die Schlagzeilen geraten waren. Komisch, sie hatte immer geglaubt, sie besitze einen schier unerschöpflichen Vorrat an Einfühlungsvermögen. Jetzt stellte sich heraus, dass sie etwas am eigenen Leib erfahren musste, um es wirklich nachvollziehen zu können.
Rosie zog ein in der Mitte gefaltetes Boulevardblatt aus ihrer Handtasche. Sie hielt es hoch und tippte mit einem Finger auf die Titelseite. Das Schwarz-Weiß-Foto zeigte Ian Roman und eine hochgewachsene, langbeinige Frau beim Verlassen einer Hotelhalle. Auch ohne die Überschrift – ROMAN AUF ABWEGEN! – war klar, was damit angedeutet werden sollte.
Ellen überflog den ersten Absatz. Der prominente Medienzar Ian Roman hat erst vor Kurzem geheiratet, aber die Flitterwochen scheinen definitiv vorbei zu sein.
»Ian hat eine Affäre mit irgendeinem Supermodel«, sagte Rosie.»Und jetzt brauchen sie ein Foto von mir, wie ich mich vor lauter Kummer so richtig gehen lasse.«
»Das tut mir wirklich leid«, sagte Ellen bedauernd.
»Ach was, kein Problem«, erwiderte Rosie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Er will doch nur das Gesicht wahren. Er dachte, ich würde mich von ihm trennen, deshalb wollte er mir zuvorkommen. Wahrscheinlich hat er den Fotografen einen Tipp gegeben. Aber weswegen ich komme – Ian hat mir erzählt, dass er bei Ihnen war.«
»Ja, ich hatte das Vergnügen«, bemerkte Ellen im kühlen, knappen Ton ihrer Mutter. Manchmal konnte er direkt nützlich sein. Sie bat Rosie ins Wohnzimmer. »Tee? Kaffee? Oder lieber etwas Kaltes?«
»Nein, nein, ich bleibe nicht lange. Entschuldigen Sie, dass ich Sie einfach so überfalle.« Rosie setzte sich Ellen gegenüber in den Ledersessel ihres Großvaters. Die Spitzen ihrer Ballerinas berührten gerade den Fußboden,
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