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Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Titel: Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Mette
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Es kommt alles wieder …
    Dieser spontane Akt des Gebets und der »Tuchfühlung« war in meiner deprimierenden Verfassung ein bewegender Augenblick. Bewegend in doppelter Hinsicht: emotional und muskulär. Und so lautet die Passage:
    »Ist jemand unter euch krank, so rufe er zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden« (Jakobus 5,14–15).
    Wie oft habe ich unter Berufung auf diesen biblischen Text über kranken und leidenden Menschen gebetet. Selbst Glaubensheilungen habe ich erlebt. Bei anderen!
    Unvergesslich wird mir bleiben, wie ich in meiner ersten Stelle als Jugendpastor in der Vorderpfalz von einem Gemeindeältesten dringend um einen Besuch gebeten wurde. Er war gerade mit dem Befund »schnellwachsender Gehirntumor« konfrontiert worden und bat mich, für ihn zu beten. Ich fühlte mich damals total unwürdig und kraftlos für diesen Krankenbesuch. So bat ich meinen Praktikanten, mich zu begleiten. Der junge Theologiestudent war noch hilfloser als ich. Beim Frühstück hatten wir ziemlich unbeschwert rumgeblödelt und jetzt sollten wir einem ernstlich erkrankten Gemeindeältesten Mut zusprechen und mit ihm beten? Muss man da nicht über höhere Weihen verfügen?
    In unserer Verlegenheit sammelten wir uns zu einem stillen Gebet und fuhren dann einigermaßen geordnet, aber ziemlich ängstlich in den Nachbarort. Wie sollten wir den Mann trösten?
    Wir wurden in einer fast heiteren und gelösten Atmosphäre herzlich empfangen. Der schwer kranke Mann – vielleicht Anfang 60 – kam gleich zur Sache. Er kniete mitten im Wohnzimmer nieder und schaute uns erwartungsvoll an. Wir lasen den besagten Abschnitt aus dem Jakobusbrief, legten dem Mann die Hände auf und beteten schlicht um Heilung von diesem Tumor. Das war ein unscheinbarer Auftritt, ein spontaner Hausgottesdienst fern aller pastoralen und liturgischen Würde. Etwas kleinlaut und verunsichert zogen wir bald wieder ab.
    In der Woche danach rief mich dieser Mann überglücklich an. Man habe nichts mehr von einem Tumor gefunden, die Operation sei abgesagt worden. Verlegen stammelte ich irgendetwas und war froh, das Gespräch beenden zu können. Jetzt war ich es, der aufgebaut werden musste.
    Überwältigt von der Kraft des Gebets war ich Zeuge eines Wunders geworden. Medizinisch nennt man das wohl Spontanheilung. Von da an wusste ich, dass es auch heute noch Wunder gibt, die sich jeder wissenschaftlichen Erklärung entziehen. Ich habe diese starke Glaubenserfahrung nie an die große Glocke gehängt. Das hatte mit meinem kleinen Glauben nun wirklich gar nichts zu tun. Aber am Ende stand die Einsicht, die David Ben-Gurion so formulierte: »Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.«
    Der Gemeindeälteste lebte übrigens noch 25 Jahre.
    Nun aber sollte nicht ich der Handelnde sein, nun war ich Empfänger dieser starken Zusage aus Gottes Wort. »Der Herr wird ihn aufrichten!« In der Tat, ich fühlte mich gestärkt und aufgerichtet, zuversichtlich aufgestellt für das diagnostische Programm, das jetzt vor mir lag.
    Am Ende dieses Tages war mir klar, dass ich mich der Wahrheit stellen musste.
    Wieder konsultierte ich meinen Arzt und berichtete ihm von den Erfahrungen. Weil er mich gut kennt, spürte er sofort meine verzweifelte Lage und empfahl mir einen erfahrenen Neurologen, der viele Parkinsonkranke in Mittelhessen betreut. Einige Tage später hatten wir einen Termin – das Beste, was mir passieren konnte.
    Im völlig überfüllten Wartezimmer taxierte ich die Patienten. In dieser Gesellschaft würde ich künftig wohl öfters auflaufen. Ich fühlte mich mitten aus dem Leben in ein Siechenhaus abgeschoben.
    Zunächst wurden wir in das Sprechzimmer der ebenfalls als Neurologin praktizierenden Frau des Spezialisten geführt. Sie untersuchte mich, und nach 20 Minuten legte sie mir ihre Hand auf die Schulter und sagte in feiner und einfühlsamer Weise: »Herr Mette, Sie müssen davon ausgehen, dass Sie an Parkinson leiden, aber mein Mann und ich werden Sie durch diese Krankheit begleiten.« Welch ein Unterschied zum ersten Versuch, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Diese Ärztin hatte sofort mein tiefes Vertrauen.
    Ich wusste es ja seit meinem Turmerlebnis auf der Wartburg, aber jetzt fiel ein dunkler Schatten auf mein sonniges Gemüt. Jetzt war es

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