Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)
Fröhlichkeit an!
Dienet dem Höchsten mit herrlichen Chören,
lasst uns den Namen des Herrschers verehren.« 6
Richtige Adventsfreude stellt sich erst mit diesem schönsten Oratorium ein. In der Silvesternacht ist immer der »Messias« angesagt. Am Abend des Epiphaniastages erklingt dann letztmalig der Schlusschor des Weihnachtsoratoriums in unserem Haus.
»Nun seid ihr wohl gerochen an eurer Feinde Schar.
Tod, Teufel, Sünd und Hölle sind ganz und gar
geschwächt, bei Gott hat seine Stelle das menschliche
Geschlecht!«
Dann erst wird der Weihnachtsbaum abgeschmückt und – inzwischen schön harzig-trocken – im Kachelofen verbrannt.
So geben feste Rituale unserem bewegten Leben Halt. Ich war also heimisch in der tröstenden Kraft der geistlichen Musik.
Wir haben unsere Kinder, sobald sie laufen konnten, in das Weihnachtsoratorium mitgenommen. Alle drei waren musikalisch talentiert, sodass zwei von ihnen heute Profimusiker sind und der Jüngste mit der gleichen Begeisterung ehrenamtlich Musik macht. Es war uns wichtig, dass die zur Rockmusik neigenden Burschen früh an klassische geistliche Musik herangeführt wurden. Wer Johann Sebastian Bach schätzt, wird immer ein demütiger Musiker bleiben. Wer die alten Meister ehrt, wird auch kein Verlangen haben, auf den schwankenden Bohlen des Deutschland-sucht-den-Superstar-Wettbewerbs brünstig um das Wohlwollen einer Jury zu balzen, die sich selbst inszeniert.
Natürlich bin ich mit den Jungs auch zu Rockkonzerten gefahren, vorzugsweise zu Konzerten der legendären US -Band »Toto« oder dem Ausnahmegitarristen Phil Keaggy. Das war Musik, die die Jungs schon liebten und ihr Vater noch liebte. Heute besuche ich begeistert die Rock- und Popkonzerte unserer Söhne.
Aber die grundlegende Prägung sollte aus dem Reichtum der geistlichen Musik alter Meister kommen. Himmlische Musik, die seit Jahrhunderten mit Ehrfurcht interpretiert wird und einfach nicht zu toppen ist. Texte, die zeitlos geistliche Prägungen nachhaltig bewahren.
Und wenn ich unsere Jungs morgens auf dem Weg ins Büro zur Schule mitnahm, mussten sie öfter Bach-Kantaten und -Motetten hören oder sich von mir die Kunst der Fuge von Johann Sebastian Bach erklären lassen. Sie hatten die Wahl: Fahrrad und Bus oder mit Vater im Auto – dann aber mit einer täglichen Bach-Lektion.
Ich erinnere mich immer wieder gern an die Zeit, als unsere Söhne über eine Popversion des »Messias« Zugang zu Georg Friedrich Händel fanden und den großen Meistern des Barock fortan mit tiefem Respekt begegneten.
Ich selbst bin durch meine Mutter, die einigermaßen Klavier spielen und phantastisch singen konnte, ein begeisterter Musikliebhaber geworden. Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen und die können am besten mit Musik durchlitten und auch gefeiert werden.
Das waren meine Favoriten, meine Trostlieder in traurigen Phasen:
Die Markus-Passion von Johann Sebastian Bach. Musik, die mich nach sechs Wochen Weihnachtsoratorium auf die Passion Jesu vorbereitet. Hinreißend schöne Choräle. Vitamine für die Seele in ihrer bekömmlichsten Form. Die von Wolf Euba ergreifend gesprochenen Evangelisten-Rezitative in der alten Sprache Luthers kommen ungefiltert durch die Gehörgänge. Modernes Deutsch kann das nicht besser!
Der andere Tröster in der Not war Paul Gerhardt (1607 bis 1676). Er wurde der Hirte meiner verwundeten Seele. In meiner CD -Sammlung findet sich eine ganz ungewöhnliche Veröffentlichung, deren Texte gesprochen und nicht gesungen werden: »Breit aus die Flügel beide« 7 . Das war mein Favorit unter den Produktionen zum Paul-Gerhardt-Jahr 2007. Endlich mal alle Strophen, auch die, die man heute vor lauter theologischer Korrektheit kaum noch singen will. In diesen Texten steckt seit Generationen ein hoher Trostfaktor. Interpretiert von Werner Arthur Hoffmann mit seiner ausdrucksstarken Stimme und durch virtuose Gitarrenmusik von Werner Hucks untermalt. Zu dieser Produktion habe ich täglich gegriffen und die zeitlosen Texte betend mitgesprochen: »Befiehl du deine Wege«, »Du meine Seele singe«, »Ich bin ein Gast auf Erden«, »Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich« und viele andere. Solche Texte wurden mir zum Proviant auf dem mühsamen Weg zur inneren Heilung. Musiktherapie, der biblische König David erfand sie vor 3000 Jahren. Damals spielte er als junger Thronfolger vor dem schwermütigen König Saul auf der Harfe. Wer sich in guten Jahren von der Musik inspirieren lässt,
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