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Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Titel: Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Mette
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lebe heute. Heute war ein guter Tag, weil ich im Frieden mit Gott leben durfte und Herr P. mit seinem Zitterregiment berechenbar geblieben ist. Ein guter Tag, weil Menschen in meiner Umgebung geduldig waren, die Medikamente ihre Wirkung nicht verfehlt haben und ihre Nebenwirkungen erträglich geblieben sind. Und was morgen sein wird, überlasse ich dem, der Initiator und Vollender meines Lebens ist.
Ich lasse mich gern überraschen, aber ich weiß, dass Gott durch Ärzte, Therapeuten und Pharmaforscher längst heilend an mir handelt. Ich warte nicht auf den Tag X einer spektakulären Heilung. Ich erlebe doch jetzt schon täglich das Wunder meiner Heilung, weil meine Psyche heil ist, die Seele getröstet und das bebende Gerüst meiner Physis erstaunlich stabil bleibt.
Ich gehe entschlossen auf Distanz zu materiellen Werten und freue mich an dem, was unvergänglich ist. Ich lebe bewusst jetzt schon auf Abschied hin, auf ewige, zitterfreie Gemeinschaft mit Gott.
Ich fühle mich nicht als von Gott bestraft oder schicksalhaft betroffen. Im Gegenteil: Nach der Beschäftigung mit Hiob fühle ich mich bevorzugt, gesegnet und berufen, anderen Mut zu machen, zu trösten und zu verbinden.
Die Frage, warum Gott das zugelassen hat, stellt sich mir nicht. Auch nicht die Frage nach dem Wozu. Glauben heißt für mich, mich in Gott zu bergen, mich ihm immer wieder zweifelnd zu nähern und im Glauben ein Fundament unter meine zittrige Existenz zu bekommen. Das reicht. Diese Gewissheit bewirkt und begründet meine Hoffnung.
    Ich kann weder Mikado spielen noch mit Stäbchen essen und auch keine Bäume mehr ausreißen. Und um beim Holz zu bleiben: Die jährlich benötigten fünf Raummeter Buche und Eiche für unseren Kachelofen muss ich nicht mehr schweißtreibend hacken. Das erledige ich jetzt komfortabel mit einem hydraulischen Spalter. Übrigens, wer mit solch einem Gerät arbeitet, hat kein Interesse mehr an Haarspaltereien.
    Also: Ich freue mich des Lebens trotz zunehmender Einschränkung meiner körperlichen Funktionalität. Zitternd und zagend, aber dankbar und zuversichtlich blicke ich auf 60 Jahre erfülltes Leben zurück.
    Ich habe es Papst Gregor XIII . zu verdanken, dass ich ein kalendarisches Unikat bin, denn der führte 1582 einen neuen Kalender, der mir nur alle vier Jahre einen Geburtstag beschert. Demnach habe ich im Jahr dieses Buchprojektes meinen 15. Geburtstag gefeiert. 45 Mal war mein Geburtstag ein kalendarischer Totalausfall. Der 29. Februar war unauffindbar. Spezielle Freunde haben mich öfter mal exakt um Mitternacht angerufen, sogar als wir in Chicago lebten. Aber am 1. März habe ich nie gefeiert, weil ich darauf bestehe, ein Februar-Kind zu sein. Der Beamte meines Heimatortes hatte meinem Vater allen Ernstes vorgeschlagen, meine Geburt einfach mal locker falsch zu dokumentieren, also ein paar Stunden nachzudatieren auf diesen eher gewöhnlichen 1. März. Aber das lehnten mein Vater (1900–1990) und meine 25 Jahre jüngere Mutter entschieden ab. Das Leben ihres zweiten Sohnes sollte nicht auf einer Lüge aufgebaut sein. Das war eine gute Entscheidung!
    Meine Eltern hatten eine Leidenschaft, die immer vor den geschäftlichen Zielen rangierte: »Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen« (Matthäus 6,33). Dieses Zitat Jesu aus der Bergpredigt wurde auch zum Programm meines Lebens.
    Meine 60 Jahre gleichen einer Pilgerreise durch einen bunten Garten der christlichen Lebensgestaltung. Die biblischen Geschichten aus meiner Kindheit und das Vorbild meiner Eltern haben den Kurs bestimmt. Auf dieser Reise habe ich viel Toleranz, Barmherzigkeit, Respekt und Unterscheidungsvermögen gelernt. Ich genieße die vitale Vielfalt der christlichen Kirchen und leide daran, wenn die Einheit der Vielfalt beklagt und bekämpft wird.
    Mich hat immer die Frage bewegt, was ich von anderen Glaubensgemeinschaften und Weltanschauungen lernen kann. Mich haben meist die Bücher interessiert, vor denen gewarnt wurde.
    Mit großem Interesse verfolge ich den neuen argumentativen, aggressiven und geradezu missionarischen Atheismus, der sich so verletzt zeigt, dass er sogar antichristliche Kampagnen initiiert. Man muss heute schon einen starken Glauben haben, um in dieser so verunsicherten Zeit überzeugt Atheist zu sein. Mich interessiert, warum Menschen Gott, Glaube und Kirche hinter sich lassen und doch nie ganz davon loskommen.
    Darum möchte ich gern noch ein paar Brücken

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