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Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Titel: Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Mette
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bauen. Brücken zwischen Zweiflern und Bekennern, zwischen Atheisten und Frommen. Brücken zu Agnostikern und Esoterikern, Brücken zu den Opfern einer vehementen und enthusiastischen Frömmigkeit und zu den Enttäuschten einer harmlosen und weichgespülten Religiosität.
    Ich möchte zitternd, zweifelnd und fragend diese Brücken bauen. Keine Bollwerke vollmundiger Beweise und schlüssiger Konzepte, keine Blockaden der vermeintlich reinen Lehre. Diese Frontstellungen provozieren immer Sieger und Verlierer. Mehr und mehr möchte ich es bewusst in der Gebrochenheit des gekreuzigten Heilandes tun. Mit Furcht und Zittern. Im Bewusstsein, dass unsere Erkenntnis immer vorläufig und unser Wissen immer Stückwerk ist. Das wäre evangeliums- und jesusgemäß!
    Die erfahrene Barmherzigkeit Gottes hat mich barmherzig gemacht, sodass ich aus dem Chor der Empörten ausgetreten bin. Es gibt zu viele Empörte, auch und gerade unter Christen. Was fehlt, sind barmherzige Träger der Hoffnung, stille Mahner und Versöhner, Beter und Diener. Und die müssen äußerlich nicht gesund sein, von innen heil sein reicht. Deren Vollmacht besteht in einer geheimnisvollen Ohnmacht. Diese sind es, die die Welt nachhaltig verändern.
    Wer empört brüllen will, zornig aufmarschieren und draufhauen, der muss physisch fit sein, zitterfrei und faltenfrei. Da kann man keine Parkis gebrauchen. Die Zitterleute stehen nur noch selten auf der Bühne, für die erste Reihe in der Demonstration reicht es nicht mehr. Aber sie können ihre Berufung »backstage« leben, hinter der Bühne, als weise und erfahrene, geschüttelte und gerührte Berater.
    Ich möchte im Namen des Heilandes einen kleinen Beitrag zur Heilung des Landes leisten. Als chronisch Kranker, als zitternder Zeuge einer inneren Heilung, die ein wankendes Leben hält und trägt.
    Ich kann wieder glauben, dass ich trotz Parkinson vielleicht die beste Zeit meines Lebens noch vor mir habe.
Nicht eine erfolgreiche, aber eine folgenreiche Zeit.
Nicht eine furchtlose, aber eine tapfere Zeit.
Nicht eine gesunde, aber doch eine geheilte Zeit.
Nicht eine zweifelsfreie, aber dennoch keine verzweifelte Zeit.
Nicht eine überzeugte, aber doch eine zeugnishafte Zeit.
Nicht eine Zeit der Empörung, sondern des Erbarmens.
    Ich bin allerdings auch ganz nüchtern darauf eingestellt, dass ich möglicherweise die schwerste Phase meines Lebens noch vor mir habe.
    Ich hatte den Skeptikern des christlichen Glaubens angekündigt, sie weder bekehren noch überzeugen zu wollen. Ich wollte nur bezeugen, wie der Glaube meinen Umgang mit P. beeinflusst und wie P. meinen Glauben geschüttelt hat. Das kann man übernehmen und testen, oder aber weiter überzeugt im Anti-Modus oder locker nach allen Richtungen offen im Neutral-Modus leben.
    Ich verabschiede mich von denen, die auch nach dieser oder vielleicht sogar wegen dieser Lektüre im Zweifel gegen den Angeklagten entscheiden, den Gott, den man so gern für alles Elend dieser Welt verantwortlich macht – mit einer bemerkenswert »vernünftigen« Einsicht von Paul Schütz (1968):
    »Es gibt, genau durchdacht, keinen Vernunft-Grund, um dessentwillen man Christ ist. Es gibt aber Gründe genug, um dessentwillen man keiner ist. Ein Christ sein heißt die Anfechtung bejahen, weil die Anfechtung der Ort ist, in dem der Glaube entsteht und glaubhaft bleibt.« 17
    Kein vernünftiger Grund für den christlichen Glauben!
    Aber wer von uns ist schon vernünftig?
    Wenn die Menschheit vernünftig wäre, hätten wir schon jetzt den Himmel in Reinkultur. Weil wir aber auch die Hölle auf Erden haben, braucht es Menschen, die sich »unvernünftig« für den Himmel – auch auf Erden – engagieren.
    Die Welt und Zeit gestalten, ob gesund oder eingeschränkt, das Leben wertvoll leben, das ist es, was wir in Gottes Namen tun können.
Die universale Werteordnung ist da – die Bibel.
Das Vorbild ist da – Jesus Christus.
Die Filialen der Liebe Gottes sind auch da – seine Kirche vor Ort in allen christlichen Denominationen. Beste Voraussetzungen für ein Stück Himmel auf Erden.
    Wenn ich mit diesen Zeilen einigen Kranken und Gesunden, einigen vernünftigen Zweiflern und unvernünftigen Alleswissern, einigen vom Glauben Abgefallenen und an Gott Verzweifelten Mut und Hoffnung machen konnte, dann war es eine gute Idee, in jener schlaflosen Nacht im Mai mit diesem Buch begonnen zu haben.
    So betrachtet, ist das Gebet des kleinen Jirjen vor 50 Jahren doch nicht verloren gegangen.
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