Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
Hause müsse. Flo griff die Gelegenheit zum Aufbruch beim Schopf und zog seine neue Errungenschaft vom Stuhl.
»Na, Flo, ob heute noch was geht? War ein bisschen viel Wein, oder?«, stichelte ich mit schwerer Zunge zum Abschied. Carsten kraulte mir beruhigend den Nacken.
Nachdem auch der Letzte gegangen war, hob er mich hoch, wirbelte mich durch die Luft, schwankte dabei beängstigend und säuselte mir Zärtlichkeiten ins Ohr.
»Was war das für eine tolle Party, meine Schöne!« Ich lehnte meinen Kopf glücklich an seine Schulter.
Während Carsten und ich Arm in Arm durch das schlafende Potsdam nach Hause wankten, hörten wir immer noch die vor der Kneipentür auf ihr Taxi wartenden Freunde Gisi, Rudi und Ronny grölend singen: »Wir sind so jung, wir sind so voll, wir finden unser Leben toll!«
***
Jetzt, acht Monate später, hatte ich eine grandiose Liebesnacht erwartet und keinen Krankheitsfall und kein frustrierendes, einsames Besäufnis. Denn sternhagelvoll bin ich auch heute. Die Küchenuhr sagt mir, dass es bereits halb zwei ist. Im Rhythmus der blinkenden Digitalanzeige verschwimmen die Zahlen vor meinen Augen. Die melancholischen Erinnerungen an unsere Jugend vor einem dreiviertel Jahr haben mir meine Horror-Zukunftsvisionen wegen Carstens galoppierendem körperlichen Verfall nicht nehmen können. Meine Gemütsverfassung hat sich stattdessen weiter radikal verschlechtert. Da stößt selbst Alkohol an seine Grenzen.
Ich stehe auf und muss mich festhalten, weil sich meine Countryküche gerade in ein Karussell verwandelt. Chica sitzt drin und maunzt. Oh je, ich muss dringend ins Bett. Gerade will ich mich in mein Schlafzimmer schleppen, da fällt mir ein, dass dort schon mein schwerkranker Cowboy liegt. Mist! Obwohl ich nur Kopf und nicht Rücken habe, schaffe ich es jetzt nicht mehr nach oben in Cowboys Wohnung.
»Chica, so ein verdammter Kackmist!«, lalle ich. »Wozu leben Cowboy und ich seit über einem Jahr zwar im selben Haus, aber – und das isss wichtisch – glücklich in getrennten Wohnungen? Mhm?«
»Mäh!«, maunzt mein Katzenkind.
»Ja, Chici, du hast recht«, erkläre ich meiner Katze mit schwerer Zunge, »dass wir fast immer auch getrennt schlafen, habe ich mir vorher natürlich nicht vorgestellt. Nä! Früher hätte ich gedacht, der liebt mich nicht, wenn er nicht bei mir schläft. So isses nämlich!«
»Mäh!«
»Hör auf, Chica, kratz nicht an der Scheibe. Mutti kann die Balkontür nicht aufmachen. Mutti kann gar nicht mehr geradeaus laufen! Aber getrennt schlafen muss sein. Weißt du, Chici, das iss so, weil Männer sich immer herumwälzen und rumschnarchen. Und weil dein Papa im Spez…, Spesch…, also im Besonderen immer so früh aufsteht und laut duscht und ich so spät von Arbeit komme und im Fernseher gucken will, was mir gefällt. Wenigstens nachts. Iss auch gut, dass Papa mich nicht in meinem unerotischen Schlafanzug sieht und ich im Bett lesen kann, solange ich will. Weißte, Chica?«, labere ich undeutlich vor mich hin und schleudere schon mal zur Schlafvorbereitung meine Schlappen von den Füßen. Die hässlichen braunen, ausgetretenen Hausschuhe landen polternd vor der Küchenzeile.
Ich starre auf das leere Riesling-Glas und ärgere mich wieder über die durch Carstens Rücken verhinderte Liebesnacht. Da hatten wir uns nun so viel Mühe gegeben, schon eine Woche vorher den Termin vereinbart und als Ausschlusskriterien unser Arbeitspensum, einen vollen, müdigkeitsfördernden Magen, Auftritte und Einladungen berücksichtigt, und dann stänkert Carstens Schleimbeutel, und es steht zu befürchten, dass dieser in den nächsten Wochen zum völligen Aus jedes libidinösen Anflugs führen wird. Mist! Mist! Mist!
»Weißte, Chici, Kinder und Besoffene denken die Wahrheit!« Und in Wahrheit hatte ich gehofft, dass getrenntes Schlafen die gegenseitige Präsentation der eigenen Körper in unappetitlichen Klamotten und der am Morgen zutage tretenden äußeren Verfallserscheinungen verhindern und die sexuelle Gier aufeinander befördern würde. Mir fällt ein, wie sehr Doro sich gewundert hatte, als ich ihr nach Carstens Einzug freudestrahlend unsere beiden Wohnungen zeigte. Sie hatte mich verständnislos und mit großen Fragezeichen in den Augen angesehen: »Und was ist mit Sex? Mit Kuscheln?«
Zwar hatte ich sofort gekontert: »Dafür gibt es auch andere Orte und Zeiten. Man muss ja nicht immer nachts und im Bett!«, musste mir aber schon damals zähneknirschend eingestehen,
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