Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
Ich drucke das Schreiben aus, und es bereitet mir große Genugtuung, die Fehler rot anzustreichen.
So, so! Das Thema Männer und Frauen überrascht die Dame nicht mehr? Was macht sie dann eigentlich, wenn sie meinen Kollegen zusieht? Denn einige von ihnen füllen ganze Olympiastadien mit Männern und Frauen, nur weil sie über Männer und Frauen reden. Und zwar ausschließlich!
Ich bin stocksauer, als mir plötzlich klar wird, dass diese Kollegen mindestens zehn Jahre jünger sind als ich und ihr Publikum auch. Ha! Da isses wieder: das Altersproblem! Wenn man, wie ich, die Kernzielgruppe am hinteren Ende schürft, ist das wahrscheinlich für so angesagte Comedy-Schmieden nicht attraktiv, nicht mal OHNE Fernsehkamera. Tja, ich gehöre nicht in die »Generation iPod«, nicht mal mehr in die »Generation Golf«. Eigentlich klar, dass sich die Kernzielgruppe nicht für die Sorgen eines Botox-Fehlversuches der »Generation Volksempfänger« interessiert.
Und ich bin doch deprimiert. Früher war das alles so einfach! Was ich auch erreichen wollte, es hat funktioniert. Rezitationsfähigkeit, etwas Talent, dazu ein bisschen zur Schau getragene Selbstsicherheit und ein faltenfreies Gesicht – zack!, war ich Moderatorin. Kontinuierlich ging es bergauf: vom Stadtfernsehsender über TV-Berlin und zwei eigene Shows bis zum MDR und zur Glücksfee-Karriere. Lief alles wie ein Länderspiel!
Das erste Mal wurde ich stutzig, als mich eine Produktionsfirma anrief und sagte: »Frau Meissner, Sie sind jetzt siebenunddreißig und passen genau in unser Konzept. Wir suchen nämlich für eine Sendung ältere Moderatoren. Möchten Sie zu einem Casting kommen?«
Älter? Mit siebenunddreißig? Damals konnte ich darüber noch lachen! Seit ich die vierzig überschritten habe, komme ich mir wie ein um Almosen bettelnder Amateur vor. Ich habe das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Allerdings ist das Treten viel anstrengender als vor zwanzig Jahren, weil ich bei sportlicher Betätigung jetzt schneller in den Schnappatmungsmodus verfalle. Das Alter ist eben nichts für Weicheier. Ich bin doch aber nicht alt! Alt-Sein ist relativ. Ich rufe meine Schwester an.
»Alu, sie haben abgesagt. Sie wollen mich nicht im › Stand-up-Club ‹ «, jammere ich in den Hörer und erwarte, dass Alexandra mir mit »Das hab ich dir gleich gesagt!« weiter die Laune verderben wird.
»Tati«, antwortet sie stattdessen, »sei nicht traurig. Immer wenn sich eine Tür schließt, gehen zwei andere auf!«
Ich glaube, mich verhört zu haben. Sollte die psychologische Behandlung bei ihr so schnell zu derartigem Optimismus geführt haben? Großartig! Da kann ich mich mit ihr sicher auch über Carstens Bandscheibenvorfall unterhalten, ohne dass mir Alu seine Einweisung in ein Hospiz nahelegt.
Ihre gute Laune nutzend, frage ich deshalb: »Hör mal, Schwester, ich habe eine ganz andere Frage. Ab wann muss man denn bei einem Bandscheibenvorfall operieren?«
»Wer hat einen Bandscheibenvorfall?«
»Carsten! C7!«
»Bist du sicher? Haben sie schon ein MRT gemacht?«
»Natürlich haben sie. Seitdem weiß ich, was Pflege bedeutet. Jeden Tag Frühstück ans Bett, Katzenwäsche, anziehen und Abtransport meines schmerzgekrümmten und unfreundlichen Kranken zur Physiotherapeutin. Ich bin völlig gestresst. Je liebenswürdiger ich mich kümmere, desto mehr nerve ich meinen Pflegefall, und je mehr er leidet, desto heftiger macht sich das Paternoster-Syndrom bemerkbar. Weißt du, Alu, Carsten ist fix und alle, seit der Arzt ihm sagte, dass es ein großer Vorfall sei und eine Operation wahrscheinlich unumgänglich ist. Ich kann nicht mehr!«, sprudelt es aus mir heraus. Ich hoffe auf Alexandras Mitleid, ohne Hinweis darauf, dass das Leben tödlich sein könnte.
»Du musst dich um ihn kümmern! Ich dachte, du liebst ihn so sehr!«
»Du hörst dich an wie Mama. Immer muss ich mich um alle kümmern: um dich, um Carsten und um mich selbst ebenfalls. Warum seid ihr euch alle so sicher, dass ich dazu in der Lage bin? Und was soll ich machen, wenn er jetzt auch noch operiert wird?«, frage ich fast weinerlich. Prompt habe ich wieder die alte Alu am Hörer.
»Das ist nicht ungefährlich. Bei solchen Operationen muss besonderes Augenmerk auf das Rückenmark und die Nervenwurzeln sowie auf die Organe des Halses gerichtet werden, da Verletzungen dieser Strukturen zu sehr ernst-haften Störungen bis hin zur Querschnittslähmung führen können!«
Ich bin einfach zu schwach und zu
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