Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
entrinnen kann, lasse das Gefühl der Erleichterung aber nicht zu. Ich baue den Laptop in meiner Kuschelküche auf und rufe antriebslos meine E-Mails ab. »Pling«, macht mein Laptop und zeigt mir neue Mails im Postfach an. Eine sticht sofort heraus. Unter »Betreff« steht: »Ihre S-U-C-Bewerbung«. Endlich habe ich eine Antwort auf meine Anfrage beim Stand-up-Club. Juchhu! Ich bemerke verwundert, dass ich mich freue, obwohl ich doch gerade erst festgestellt habe, in welch schlechter Stimmung ich bin. Mit einiger Anstrengung ärgere ich mich aber gleich wieder, weil ich mich daran erinnere, wie oft ich schon auf Antworten gewartet habe. Wie oft ich Mitteilungen, Briefe und Bewerbungen an Veranstalter, Fernsehsender oder Kollegen geschickt habe; wie oft ich schon zu Castings eingeladen war und darauf keine Reaktion und keine Antwort erhielt. Ich halte diese Feigheit, eine Absage zu formulieren, für respektlos. Wenn die wüssten, wie schwer mir die sogenannte Akquise fällt, wie ich darunter leide, mich anpreisen zu müssen, würden sie sich wahrscheinlich sofort dafür entschuldigen, mich einfach ignoriert zu haben!
Vor einigen Wochen hatte ich mich also beim »Stand-up-Club« beworben. Ich wollte mir damit den großen Wunsch erfüllen, am Ort meiner schönsten Jugenderinnerungen zu gastieren. Genau dort, auf einer Bühne im Keller des größten Revuetheaters Europas, hatte ich vor fünfundzwanzig Jahren zusammen mit zwei Kolleginnen den Erfolg einer BC-Einstufung, der zweitbesten aller möglichen Bewertungen für Profitänzer, gefeiert. Wir hatten uns unter dem Namen »Cora-Showdancers« dem Showtanz à la Jackson und Madonna verschrieben und unsere Tänze einer Prüfungskommission präsentiert. Damals durfte man als Künstler nur arbeiten, wenn man sich einer Jury von Fachleuten stellte, die dann entschied, ob man die sogenannte »Pappe« bekam, die auch gleich das mögliche Honorar festlegte.
Bei der Idee, mich bei den neuen Mietern, dem »Stand-up-Club«, zu bewerben, trieb mich vor allem die Hoffnung auf das nostalgische Gefühl an, welches sich auf dieser Bühne einstellen würde. Ich stellte es mir schön vor, noch einmal in der Garderobe der ehemaligen »Cabaret Revue« zu sitzen und mich zu erinnern: an unsere Aufregung, an den Geruch nach Schminke und Schweiß und an das Gewusel der vielen Tänzer aus ganz Ostdeutschland, alle auf eine gute Beurteilung hoffend, in den Gängen hinter der Bühne.
Nach der erfolgreichen Premiere meiner eigenen Comedy-Show in diesem Jahr hatte ich mir die Programme meiner Kollegen dort angesehen und war zu der Überzeugung gekommen, dass ich mit meinem Programm dort genauso gut hinpasste wie all die anderen Comedians, die dort auftraten. Meiner vor wenigen Wochen abgeschickten Bewerbung hatte ich neben einem Schreiben eine DVD mit Ausschnitten aus meiner Show beigelegt.
Heute habe ich endlich die Antwort-Mail im Posteingang. Ich freue mich und öffne aufgeregt diese wichtige Nachricht. Schon nach wenigen Zeilen wird mir klar: Es ist eine Absage!
Jetzt nicht ärgern, du hast doch nicht wirklich an eine Zusage geglaubt, beruhige ich mich zweckoptimistisch. Ich kann auch ohne den »Stand-up-Club« leben, sage ich mir. Gut sogar. Alexandra hatte es gleich geahnt, als sie mitbekam, dass ich mich dort beworben hatte.
»Die lassen doch keinen in ihre Klüngelwirtschaft rein. Tati, mach dir keine Hoffnungen, sonst bist du hinterher nur enttäuscht!«
Ich? Hoffnung? Enttäuschung? Niemals! Ich bin durch und durch realistisch! Ich kann damit umgehen. Was sollte auch diese Gefühlsduselei. Von wegen noch mal auf der Bühne meiner jugendlichen Erfolge stehen. Sentimentaler Blödsinn! Todesmutig lese ich:
Sehr geehrte Frau Meissner,
herzlichen Dank für Ihre Bewerbung. Ich habe mir ihre DVD heute angesehen und muß ihnen leider mitteilen daß das die Themen die sie in ihrem Programm behandeln nicht das ist was ich für unsere Club Mix Show Suche. Das Thema Singels, Partnersuche, Männer und Frauen ist über die Jahre bereits in so vielen Facetten und Formen behandelt worden daß mich kaum eine Pointe überraschen kann.
Blablabla …
Ich bin nicht sauer, gar nicht. Wie könnte ich mich aufregen, ich Dummerchen! Gibt ja schlimmere Schicksale. Bandscheibenvorfälle zum Beispiel. Kann doch schon froh sein, wenn Fachkräfte wenigstens antworten. Tralalalala! Aber vielleicht sollte sich die Dame mal mit der deutschen Sprache und Rechtschreibung befassen, ehe sie eine Absage erteilt.
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