Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
dass er die Wohnung vermittelt hat, die direkt unter seiner Wohnung liegt!«
»An eine Frau?«
»Glaube, weiß nicht!«, sagt Carsten vage und guckt so aufmüpfig, als ob er etwas im Schilde führt. Auch egal. Ich habe mich heute mit meinen Freundinnen verabredet, um zu klären, ob ich nach dem suboptimal gelaufenen Liebeswochenende weiter auf einen Heiratsantrag warten, selbst einen organisieren oder auf eine Hochzeit verzichten soll.
»Süßer, ich will mich heute mit den Mädels treffen. Ist das okay für dich?«
»Mach nur, ich hab zu tun. Und grüß Doro von mir!«, grinst mich Carsten erdmännchenmäßig an. Das ist komisch. Nicht der unproblematische Umgang mit meinen Freizeitplänen, da ist Carsten schon immer wohltuend tolerant, aber der Gruß an Doro scheint mir zu verständnisvoll. Vorgestern war er noch beleidigt, dass meine Freundinnen immer besser über mich Bescheid wissen als er, und jetzt so etwas? Mhm.
Ich mache mich zum Gehen bereit. Der November ist in diesem Jahr so kalt, dass ich meine dicken Winterstiefel anziehe, den grünen Kuschelmantel, den Carsten abartig hässlich findet, eine Bommelmütze aufsetze und meinen Schal umwerfe. Der Schal ist zwanzig Jahre alt und ein Geschenk meiner Ex-Schwiemu aus dem Intershop.
***
Hätte ich bei meiner ersten Hochzeit auf Gisis Hinweise gehört, wäre mir viel Leid erspart geblieben. Gisi hatte schon im Vorfeld verständnislos mit dem Kopf geschüttelt, als ich ihr von meinen Hochzeitsplänen erzählte. Sie fand mich übereilt und eine Heirat unsinnig. Ich war Anfang zwanzig und hatte mich von meinem Zukünftigen und meiner Mama überreden lassen, geordnete Verhältnisse zu schaffen. Gisi und Rudi kamen demonstrativ zu spät zur Trauung. Kurz nach Beginn der Rede der Standesbeamtin, die uns gerade mitteilte, dass wir unsere Kinder im Sinne der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft erziehen sollten, knarrte die Tür im alten Standesamt gegenüber vom »Rat der Stadt«, und Gisi, hochschwanger und gestützt vom grinsenden Rudi, betrat den Saal. Die Zeremonie verlief unspektakulär, obwohl ich extra einen Geiger bestellt hatte, der Schumanns Träumerei, Omas Lieblingslied, das ich schon als Kind immer auf meiner Zither vorspielen musste, live fiedelte. Das hätte ich auf der Zither besser hinbekommen. Wahrscheinlich waren Gisi und Rudi von der Geige so genervt, dass sie die Trauungsurkunde anstandslos unterschrieben.
Die Eheschließung endete nach einem Jahr im Rosenkrieg, dessen Höhepunkt ein wildes Hasch-mich-Spiel über Tische, Bänke und mein Sofa war, ein Zweikampf um einen Blumentopf ohne Rosen. Die Situation war deshalb so grotesk, weil wir auch nach der Scheidung zusammen in einer Wohnung leben mussten. In der DDR gab es nicht ausreichend Wohnraum, so dass man sich auch Monate nach dem Ende einer Ehe nicht aus dem Weg gehen konnte. Das umkämpfte künstlerisch wertvolle Keramikwerk hatte mein damaliger Schwager schwesterlicherseits selbstgebrannt. Mein Ex rannte hinter mir her, um mir den seltenen Topf zu entreißen mit der Begründung, dass ich ja schon einen solchen besäße. Letztendlich ging der Topf zu Bruch wie vorher unsere Ehe. Völlig humorfrei und mit einem lauten Knall. Hätte ich gewusst, dass sich nur einen Monat später die Mauer öffnen und ich mir mehrere hundert Blumentöpfe hätte kaufen können, hätte ich meinem Ex den wertvollen Keramiktopf großzügig über den Kopf gestülpt. Trotz des idiotischen Rosenkriegs war meine Scheidung vor zwanzig Jahren für mich die erste heroische, selbstbestimmte und nicht im Unterbewusstsein von Mama dirigierte Tat.
Aber ich kann nicht behaupten, dass mich Gisi nicht gewarnt hätte. Vielleicht habe ich nicht auf meine Freundin gehört, weil sie zum damaligen Zeitpunkt selbst schon verheiratet war. Das ist ja so, als ob jemand vor meinen Augen mit Genuss mehrere Tafeln Schokolade isst und mir weißmachen will, dass Süßes zu Karies führt.
***
Auf dem Weg zur Cuhibar, wo wir verabredet sind, überlege ich, wie meine Freundinnen zu meiner Absicht, Carsten zu heiraten, stehen werden. Im Unterschied zu meinem ersten Mann hat mich bisher niemand vor ihm gewarnt. Im Gegenteil: Zu Carstens Geburtstag hatte mir Gisi, wenn auch volltrunken, aber doch eindeutig zu verstehen gegeben, wie sehr sie eine Hochzeit von uns beiden herbeisehnt. Doro, Anka, Petra und Suse hatten bisher weder Zustimmung noch Ablehnung geäußert. Heute ist die Gelegenheit, sie zu fragen.
Bis auf Doro haben alle meine
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