Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
Mädels einschlägige Heirats- und Partnerschaftskonzepte durchprobiert und sind somit Fachkräfte auf dem Gebiet. Von meiner ruhigen, idyllisch gelegenen Wohnung mit Südbalkon und Blick ins Grüne schlendere ich zu Bar Richtung Luisenplatz und freue mich, dass ich gleich mit Hilfe meiner Freundinnen zu einer Entscheidung kommen werde, was meine Hochzeit angeht.
Als ich den Luisenplatz erreiche, ist es schon dunkel. Das beleuchtete Brandenburger Tor strahlt mich von weitem an. Es ist furchtbar kalt. Ich bin natürlich wieder viel zu früh und binde darum meinen Schal fester um den Hals und stecke meine behandschuhten Hände in die Taschen meiner Kuscheljacke. In vierzehn Tagen beginnt die Adventszeit. Links von mir im Restaurant Luise beobachte ich durch die großen Scheiben ein älteres Pärchen, welches sich angeregt unterhält. Im Fenster Richtung Luisenplatz erkenne ich meine Sparkassenfrau. Obwohl Potsdam eine Großstadt ist, scheint hier jeder jeden zu kennen. Ich mag es sehr, bei jedem Schritt, den ich aus dem Haus gehe, Bekannte zu treffen, und brauche für jeden Einkauf mehrere Stunden, weil ich mit etlichen Passanten ins Gespräch komme.
Dass den auf den ersten Blick unterkühlt wirkenden Potsdamern eine ganz spezielle Heiterkeit innewohnt, bemerkt man erst auf den zweiten Blick. Ich habe, als ich Mitte der achtziger Jahre hierher zog, eine ganze Weile gebraucht, um mich einzuleben und zu erkennen, dass Preußen und Humor kein Widerspruch sein muss. Immerhin stammt der größte Komiker aller Zeiten, der Erfinder des Jodeldiploms, der Steinlaus und des Kosakenzipfels, Vicco von Bülow alias Loriot, aus dieser Gegend. Auch der preußische König, der »Alte Fritz«, bewies schon Humor, indem er sagte: »Eine Krone ist lediglich ein Hut, in den es hineinregnet.« Potsdam ist meine Heimat geworden. Ich würde gern sagen: weil ich so fest verwurzelt bin, aber das hört sich so alt an.
Ich hüpfe auf der Stelle im Kreis, um die Kälte zu vertreiben. Beim Blick Richtung Bar sehe ich Doro, die gerade die Tür öffnen will, um hineinzugehen.
»Hallo Doro, alte Lachmöwe!«
Meine Freundin dreht sich um und lacht erwartungsgemäß.
»Ach Tati, schön dass du auch zu früh bist. Da kann ich mich bei dir erst mal ausheulen.« Doros Gesichtsausdruck und ihre Stimmung liegen meilenweit auseinander.
»Was ist denn jetzt schon wieder passiert?«, frage ich, während wir die Cuhibar betreten. Wir sind so ins Gespräch vertieft, dass wir weder Barchef Willi noch irgendeinen anderen Gast bemerken und blind an unserem Stammtisch links neben der Tür, direkt unter »meinem« Kuba-Foto, Platz nehmen.
»Ich komme gerade wieder von einem bis heute Vormittag vielversprechenden Date«, berichtet Doro, rollt mit den Augen.
»Stell dir mal vor, Tati, sagt dieser Typ nach dem Kaffeetrinken und auf dem Weg zu meinem Auto plötzlich zu mir, er wäre extra heute beim Urologen gewesen und hätte sein Sperma abgegeben, weil er vor dem ersten Date geklärt haben wollte, ob er auch zeugungsfähig sei!«
»Hat er das ernst gemeint?«
Doro nickt fast hysterisch mit dem Kopf, presst ihre Lippen aufeinander, und ihr Körper beginnt sich zu Schütteln. »Hähäähähä!«, meckern wir beide im Chor. Suse klopft so heftig auf den Tisch, dass ihre blonden Locken wie unter Starkstrom vibrieren.
»Was ist denn mit euch los?«
Im gleichen Moment betreten die männerfeindliche Anka und die Schwiegermutter-geschädigte Petra hektisch den Raum.
»Guten Abend, liebste Freundinnen!«, schraube ich mich vom Hocker und begrüße sie mit den obligatorischen Küssen auf die Wangen.
Willi bringt uns unaufgefordert fünf Mojitos.
»Na Mädels, euch darf man heute wohl wieder nicht stören. Ihr redet ja ohne Punkt und Komma!«
»Ph, Männer!« Anka hebt ihr Glas in Richtung des an die Bar eilenden Willi.
»Apropos Männer«, beende ich das fröhliche Zuprosten, indem ich versuche, eine gewisse Ernsthaftigkeit in meine Stimme zu legen. »Ich habe euch heute zusammengerufen, weil ich mir wünsche, dass ihr mich bei einer Entscheidungsfindung unterstützt.«
Anka, Doro, Petra und Suse richten ihre Blicke auf mich und warten. Bevor ich meinen Plan als peinliche Schwachsinns-idee verwerfen kann, rede ich schnell weiter.
»Ich möchte von euch wissen, ob ihr denkt, dass ich Carsten heiraten soll oder lieber nicht. Bevor ihr fragen könnt: Nein, er hat mir noch keinen Antrag gemacht, und ja, ich habe schon einen Termin auf dem Standesamt
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