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Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Titel: Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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theoretisch alles, was ich mir von ihnen erhoffe, nur eins können sie genauso wenig wie ich: spontane Entscheidungen fällen. Weil wir Frauen sind. Für schnelle Lösungen sind die Männer zuständig.
    ***
    Also verabrede ich mich gleich am nächsten Tag mit Kumpel Ronny. Von ihm als Mann erhoffe ich mir eine klare Lösung meines Problems. Wir treffen uns im Babelsberger Lindencafé. Wir haben kaum Platz genommen, da frage ich Ronny, ob ich heiraten soll.
    »In deinem Alter, Tati? Wer nimmt dich denn noch!«
    »Alter! Ronny! Ich kann es nicht mehr hören.«
    »Nun sei doch nicht gleich beleidigt. Seit ich es nicht mehr schaffe, mir mein Leben jung zu trinken, habe ich mich darauf eingelassen, das Alter erleben zu wollen, weil es spannend ist, als ob man ein Buch lesen würde – da bleibt man auch nicht auf der Stelle stehen.«
    Mir entgleiten alle Gesichtszüge. Hä? Ronny hat sich auf das Alter eingelassen? Ronny liest neben der Apothekenumschau auch Bücher? Ich schaue meinen Kumpel mitleidig an.
    »Was redest du da? Ich kann mir dein lyrisches Geschwafel nur mit deinem altersbedingt sinkenden Testosteronspiegel erklären. Wahrscheinlich ist der so gesunken, dass du dich hormonell an uns Frauen angleichst.«
    »Papperlapapp! Obwohl, ich brauche ja gar kein Testosteron, sagt die Rentner-Bravo«, antwortet Ronny kurz und bestellt sein erstes Nachmittagsbier.
    »Prost Tati, mach dich ran und träume dein Leben nicht, sondern lebe es!«, schreckt mich Ronny auf.
    Wovon redet er denn jetzt schon wieder?
    »Willst du damit sagen, dass ich doch heiraten soll?«
    »Nein, ich will sagen, dass du dein Leben nicht vertrödeln sollst. Diskutiere nicht, lebe!« Manchmal konnte Ronny richtig philosophisch sein, aber leider wenig hilfreich.
    »Ronnylein!«, bettelte ich. »Was würdest du denn an meiner Stelle machen? Sag doch mal!«
    »Ich kann dir sagen, was ich meiner Stelle machen würde: feiern, immerzu feiern. Zuerst die Entlobung, dann die Verlobung und dann die Hochzeit! Und immer Kumpel Ronny einladen. Das würde ich tun!«
    Wie unkompliziert doch Männer sind! Wir Frauen sind komplizierter, wahrscheinlich sogar so kompliziert, dass wir uns selber nicht verstehen können.
    ***
    Am nächsten Tag meldet sich endlich meine Schwester von der Kur. Nach einer SMS, in der sie mir die Telefonnummer ihres Zimmers im, wie sie es nannte, »Kinderlattenheim« mitteilt, rufe ich sie an.
    »Na, Schwester, wie geht es dir nach zehn Tagen Kur. Fühlst du dich gut umsorgt?«
    »Sehr gut. Hier ist es so schön. Berge und Wälder, und alles tief verschneit. Im November! Außerdem habe ich das erste Mal im Leben das Gefühl, dass ich mich ausschließlich um MICH kümmern darf. Was mich aber erstaunt hat, ist die Tatsache, wie viele in unserem Alter plötzlich eine Depression bekommen.«
    Ich denke sofort: Ist doch klar, dass man in unserem Alter, wo sich Gespräche zunehmend um Krankheiten und Behandlungsmethoden drehen, die Einschläge immer näher kommen und sogar Michael Jackson einfach wegstirbt, depressiv werden muss. Das ist wie ein Virus, das sich in der Mitte des Lebens pandemieartig verbreitet. Ich spreche meine Gedanken aber nicht aus, denn Alexandra ist, trotz ihres Bemühens um eine fröhliche Ausstrahlung, aufgeregt wie eh und je. Ich sorge mich, dass ihre Behandlung fehlgeschlagen sein könnte oder dass die »Freu-Tabletten« nicht mehr wirken. Mich beschleicht die Angst, mich beim nächsten Telefongespräch mit Mama nicht nur wegen einer ausfallenden Hochzeit, sondern auch noch wegen meiner kranken Schwester rechtfertigen zu müssen.
    Die Stimme meiner Schwester dringt plötzlich ganz sachlich und entspannt durch den Telefonhörer an mein Ohr.
    »Weißt du, Tati, unseren Körper müssen wir uns vorstellen wie ein altes Auto. Die werden im Laufe der Jahre durch Materialermüdung, Beanspruchung und Witterungseinflüsse auch anfälliger und benötigen mehr Wartung, häufigere Durchsichten und Reparaturen. Und so ist es auch mit uns. Mit vierzig läuft das Hirn zwar auf Hochtouren, aber der Körper zerfällt und die Seele korrodiert!«
    »Aber manche Autos laufen länger, und manche müssen mehr gepflegt werden. Warum?«
    »Ich glaube, bei mir liegt es auch daran, dass ich nach der Wende mit den unendlich vielen Auswahlmöglichkeiten, die das Leben plötzlich bot, nicht klarkam. Vor der Wende konnte ich meine Möglichkeiten besser überschauen und Grenzen erkennen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir agierten im Osten in zeitlich

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