Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Schlafzimmer geschmissen und aufs Sofa geschickt.«
Im Prinzip wäre jetzt der Moment gekommen, endlich mal zu überprüfen, ob das Meer nur so ausschaut wie eine Badewanne oder sich auch so anfühlt. Denkt man sich als Novize. Aber, wie hatte Lena gesagt: So geht Camping nicht. Kein Vergnügen ohne Arbeit. Wir sind ja nicht zum Spaß hier.
Sie drückt mir eine große grüne Gießkanne in die Hand und schickt mich zum Wasserholen. »Damit kannst du dir dann die Füße waschen, wenn du vom Strand kommst.«
»Aber es gibt doch eine Dusche auf dem Strand.«
»Und dann läufst du mit nassen Füßen durch den Sand und schleppst ihn ins Vorzelt.«
»Hm.« Immerhin hätte sie dann wieder was zu fegen.
An jeder Treppe, die in den oberen Teil der Zona Dragone führt, haben sie einen kleinen Wasserhahn ins Mauerwerk eingelassen. Als Trinkwasserspender. Ich fülle die Kanne und schleppe sie zurück zum Wagen, dabei komme ich mir vor wie ein Depp.
»Warum wäscht man sich die Füße nicht einfach unter dem Wasserhahn?«, frage ich. »Dann spart man sich die Schlepperei.«
»Aber das ist doch Trinkwasser. Wir sind im Süden, da ist Wasser kostbar.«
»Ja und? Jetzt ist es Trinkwasser in einer schweren Gießkanne. Ist es dadurch weniger kostbar?«
»Natürlich nicht, aber es sieht nicht jeder.«
Sosehr ich Camper für ihren ungeheuren Pragmatismus bewundere – manchmal sind sie einfach nur umständlich. Oder es geht in Wahrheit um was ganz anderes. Um das Gefühl des Ursprünglichen. Du gehst mit Eimern und Kannen an den Dorfbrunnen, das ist wie in der Vormoderne.
Lena erzählt, dass es früher regelmäßig zu erbittertem Streit zwischen Deutschen und Italienern kam. Wegen der Füße. Der Bürgermeister hat daraufhin eines Tages Schilder gemalt: ein Fuß unter einem Wasserhahn in einem roten Kreis, durch den ein roter Verbotsstrich ging. Und die Schilder hingen angeblich so lange, bis kein Italiener es mehr wagte, mit seinen sandigen Füßen die deutsche Zone zu betreten.
Am Strand hat die Terrorgruppe vom Animationsteam ihre Arbeit wieder aufgenommen und bringt beschwingte Partylaune in den eben noch dahindösenden Nachmittag. Sie veranstalten gerade eine Art Limbo-Tanz-Wettbewerb und beschallen die kleine Bucht mit Madonna-Hits aus einer Zeit, als Al Bano & Romina Power noch ein glückliches Ehepaar waren. Vom fröhlichen Tintenfisch übrigens nichts zu sehen, was allerdings eher den tropischen Temperaturen geschuldet sein dürfte.
Meine Mozzarellina, wie ich Lena von jetzt an nur noch nenne, hat es sich mit ihrer Stirnwunde notgedrungen im Schatten gemütlich gemacht. Sie sieht trotzdem zufrieden aus. Im Prinzip ist diese Bucht ein gigantischer Nichtschwimmer-Bereich. Ich wate gute fünfzig Meter ins azurblaue Meer, bis mir endlich das Wasser bis zum Hals steht. Die Distanz zum Strand dämpft den Lärm aus den Boxen, der Bürgermeister scheint eine Galaxie entfernt, und zum ersten Mal fühlt sich das alles an wie – Urlaub.
Eines dieser lustigen Tretboote mit kleiner Plastikrutsche am Heck dümpelt vorbei, während ich zu einem überdimensionalen Trampolin hinüberschwimme, das wie ein Ponton auf der Wasseroberfläche treibt. Ich lege mich drauf und brutzele ein wenig in der Sonne. In der Hoffnung, dass man auf dem Wasser schneller braun wird als an Land, wie das immer so heißt.
Als ich mich wieder aufrichte, sehe ich Freddie, den sogenannten bagnino , unter dem Vordach seines grünen Bademeisterhäuschens rumlümmeln. Lena hat erzählt, dass der Gute den ganzen Winter über in einem Brandenburger Spaßbad arbeitet, wo sie die Investitionsruine einer ehemaligen Luftfahrtwerft in ein überdachtes Tropenparadies verwandelt haben, das ein wenig ausschaut wie das Dschungelcamp von RTL. Und an dessen künstlichen Stränden sorgt so ein original süditalienischer Bademeister natürlich für die authentische Exotik.
Hier auf dem Campingplatz hält er sich jetzt schon länger im Amt als Husni Mubarak, für sein Alter sieht er auch noch ziemlich knackig aus, wenn er den Bauch einzieht. Aber seit sie ihm diesen jungen Muskelprotz zur Seite gestellt haben, darf er nur noch mit dem Fernglas den Wachturm hochsteigen. Und ansonsten Urlauberinnen den Rücken eincremen.
Vom Meer aus wirkt das Grande Paradiso tatsächlich so, als wäre der Name mehr als ein hohles Versprechen. Hunderte bunter Sonnenschirme am Strand, hinter denen die Wohnwagen und Reisemobile zu verschwinden scheinen, dazu ein paar motorisierte
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