Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
von Wien. Und jetzt wollen Branco und Zlatan, dass ordentlich geheiratet wird.
»Geiler Typ, der Fabio«, lüge ich.
»Echt?«, staunt Lena. »Ich hätte schwören können, du hasst ihn.«
»Wieso? Ich kenn den doch gar nicht.«
»Aber so, wie der mich angebaggert hat …«
»Hat er das?«
Als wir im Grande Paradiso ankommen, steht Massimo mit einem deutschen Pärchen vor der Rezeption. Ihr Wohnmobil haben sie auf der anderen Straßenseite abfahrbereit geparkt. Die drei scheinen in ein intensives Gespräch verwickelt zu sein, aber Massimo winkt uns zu und macht eine Wartet-mal-Geste.
Ich ahne schon, was auf mich zukommt.
Wir steigen aus, und Massimo sagt: »Un attimo.« Einen Augenblick.
Die beiden Deutschen zeigen auf das Display ihrer Medion-Kamera. »Hier, siehst du das? Das ist Schimmel!«, erregt sich der Mann.
»Und die Abflüsse in den Duschen waren auch jeden Abend verstopft. Jeden Abend!«, sekundiert seine Gattin sichtlich erschüttert.
Massimo blickt zum Himmel, als würde er um Gottes Gnade flehen. Oder um einen Blitzschlag, der ihm die beiden Nervensägen für immer vom Hals schafft.
Ich schaue Lena amüsiert an: »Das haben sie nun von ihrem Camping-Urlaub. Da gibt es eben keinen Reiseleiter, bei dem man sich dreimal am Tag beschweren kann.«
»Dafür haben sie hier Massimo«, sagt Lena, »und der führt solche Gespräche mehr als dreimal täglich. Da kommt ständig einer angeschissen.«
Notorische Nörgelei gehört bei Deutschen zum Urlaub genauso dazu wie die kurzen Hosen. Sie ist sozusagen die nachträgliche Variante für alle, die den Frühbucher-Rabatt verpennt haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten in Wahrheit ihre Kameras nicht etwa kaufen, um damit romantische Urlaubsfotos zu schießen, sondern um irgendwelche Makel in der Hotelanlage zu dokumentieren und später den Reiseveranstalter zu verklagen.
»Okay«, sagt Massimo, »ich kann euch einen sconto anbieten. Sagen wir 100 Euro?« Ich wette, das kalkulieren sie im Grande Paradiso bei der Preisgestaltung schon mit ein.
Das Pärchen berät sich kurz, dann zieht der Mann einen Kunstlederbeutel mit Sparkassen-Logo aus dem Rucksack zu seinen Füßen. Er zählt umständlich die ausstehende Summe ab und reicht Massimo ein Bündel Bares.
»Und nix für ungut«, sagt der Mann, während er sich bei geöffneter Tür auf den Fahrersitz fallen lässt.
Während die beiden um die Kurve verschwinden, atmet Massimo kräftig durch. Wenn auch nur kurz. Dann sieht er mich so streng an wie das Frankfurter Fräulein Rottenmeier die kleine Heidi aus den Schweizer Bergen: »Marco, sei bloß froh, dass der direttore heute seinen freien Tag hat – nachher hätte der euch noch vom Platz geschmissen.«
Schon in der Früh, erzählt er, ist der Bürgermeister hinauf zur Rezeption gestapft. Dort wartete er in seinem Wüstenfuchs-Rommel-Outfit bereits mit verschränkten Armen vor der verschlossenen Tür und blickte vorwurfsvoll auf die Uhr, als Massimo in seinem verbeulten Fiat Tipo um fünf nach neun gemütlich zur Arbeit gerollt kam.
Massimo versuchte wortreich, ihn zu beschwichtigen. Das sei doch bestimmt alles nur ein Missverständnis. Aber Herr Helmut blieb unversöhnlich, er drohte mit Abreise und einem gepfefferten Beschwerdebrief beim ADAC. Er oder ich, hat er gesagt. Es klang wie ein Ultimatum des Weltsicherheitsrates.
»Dann ist doch alles super. Eine bessere Gelegenheit, diesen Idioten loszuwerden, kommt so schnell nicht wieder«, sage ich.
Lena stöhnt. Ihre Sorgen um die Familien-Reputation sind offensichtlich längst von der Realität überholt worden.
Auch Massimo verdreht die Augen. Würde man den Bürgermeister vergraulen, gibt er zu bedenken, würde der doch keine 24 Stunden später sämtliche Camping-Foren des deutschsprachigen Internets mit eindrücklichen Warnungen vor Reisen ins Grande Paradiso überschwemmen. Und da muss ich Massimo ein großes Kompliment machen: Nach 30 Jahren im Dienste des teutonischen Urlaubsvergnügens hat er die Eigenarten seiner Kunden erstaunlich präzise analysiert. Bürgermeister Helmut ist in der Tat genau die Sorte Quälgeist, die auch jede Woche die Lokalzeitung seines Heimatortes mit entrüsteten Leserbriefen penetriert.
»Also, offiziell habe ich dir jetzt einen schweren Verweis erteilt«, sagt Massimo, bevor er in einen fraternisierenden Tonfall wechselt. »Aber unter uns – mir war auch kotzübel. Vor allem von Ercoles Limoncello. Und meine Frau hat mich sofort aus dem
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