Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
seinem ältesten Sohn fielen von den Chemikalien irgendwann die Haare aus. Also hat Carlo die Anlage nach knapp drei Jahren wieder verschrotten lassen, und heute poliert sein kahlköpfiger Sohn die Autos mit umweltgerechten Putzmitteln von Hand. Und wenn es stimmt, was Fabio berichtet, dann trinkt Carlo inzwischen mehr Grappa, als sein Arzt erlaubt.
Pünktlich, nachdem er seinen zweiten Campari Soda geleert hat, klingelt Fabios telefonino .
»Sorry, Leute, ich muss los. Termine!«
Natürlich verschwindet er nicht einfach, ohne sich Lenas Handynummer geben zu lassen. Als alter Profi ruft er auch sofort an: Um zu checken, ob die Nummer wirklich stimmt. Und um seine eigene zu hinterlassen.
Der Kellner kommt, und ich zahle die Getränke. Natürlich auch die von Lottogewinner Fabio. Bevor wir losgehen, drückt Fabio Lena zum Abschied seinen Lottoschein in die Hand. Er sagt: »Für dich, principessa . Wenn du gewinnst, lässt du dich scheiden und ziehst zu mir.«
Sette
Auf dem Rückweg zum Auto kommen wir an einer Metzgerei vorbei. Fabio hat erzählt, dass der Fleischer damals auch zur Tippgemeinschaft gehörte, was ihn allerdings umgehend ins gesellschaftliche Unglück stürzte. Kaum dass er sich in seinem neuen 911er um die Schlaglöcher im Straßenpflaster bis zu seinem Laden geschlängelt hatte, wanderten die Neider im Ort allesamt zu seinem Konkurrenten ab. Und die Neider, das waren verdammt viele. Erst verschwanden also die Kunden, dann der Porsche. Beide kamen nie wieder.
»Wollen wir heute Abend vielleicht grillen? Wir laden Willi und die Rita ein!«
»Meinst du das ernst?«, fragt Lena skeptisch. »Du wirst doch nicht etwa gesellig, oder?«
»Im Leben nicht. Aber ich mag den Willi, und ich glaube, er mag uns auch.«
Die Wahrheit ist, dass ich dem Willi noch ein bisschen was schulde. In einem unbeobachteten Moment hatte ich von meinem Abfluss-Malheur erzählt, und er hatte mir heimlich eine Flasche Flüssigreiniger gereicht, als würden wir auf dem Bahnhofsklo einen Drogen-Deal abwickeln.
»Pass auf mit dem Zeug«, hatte er gesagt. Es war irgendein Spezialreiniger für Profis aus dem Gas-Wasser-Scheiße-Gewerbe, den es im Handel aus guten Gründen gar nicht erst zu kaufen gibt. Aggressiver als ein Kampfhund und giftig wie der Biss einer Kobra.
»Und du bist sicher, dass mir das Zeug nicht die billigen Plastikrohre zerfrisst?«
»Glaub schon.«
Nun, so viel Italiener bin ich inzwischen geworden, dass der schiere Glaube meine Bedenken überwiegt. Und so habe ich das Zeug dann ebenfalls heimlich und sehr erfolgreich zur Anwendung gebracht.
Wir betreten die Metzgerei, und nach den ganzen Lottogeschichten habe ich das gute Gefühl, zur Resozialisierung eines ausgestoßenen Glückspilzes beizutragen. Von seinem Gewinn kann er allerdings nicht viel in die Einrichtung seines Ladens investiert haben. Zwei spärlich gefüllte Regale, eine übers Eck gehende Vitrine. Ansonsten eher eine Atmosphäre wie in der Pathologie. Ein dicker Mann mit blutbefleckter Schürze zerlegt gerade mit seinem Beil ein Lamm.
»Ich will auf jeden Fall salsiccia «, sagt Lena.
Das war mir klar. Frauen wollen beim Grillen immer nur Würstchen, und am liebsten legen sie auch noch Gemüse aufs Feuer. »Auberginen und Zucchini hat der hier leider nicht«, sage ich und bestaune mit einem wohligen Schauer die mächtigen Fleischbrocken in der Auslage. »Aber schau dir das mal an!« Ich studiere die kleinen Schildchen unter den einzelnen Fleischsorten: filetto d’agnello, bistecca di manzo, punta di pollo – alles Begriffe, die ich schon aus meinem ersten Lehrbuch kenne. Da sticht mir ein sehr vertrautes Wort ins Auge. »Da steht wirklich Nackensteak.« Du kleiner Gauner, denke ich, Respekt. So erschließt man also neue Zielgruppen.
Kurz nachdem wir Luigis Obststand passiert haben, schaue ich auf mein Handy-Display. Tatsächlich: »Kein Signal«. Ich finde, sie sollten hier Schilder aufstellen wie früher im geteilten Berlin: You are now leaving the Telecom-Italia-Sector .
Ich muss an Fabio denken. Was für ein grandioser Blender! Ich mag vielleicht ein Neuling in Sepiana sein, aber eines weiß ich: Wenn ein Italiener in dem Alter wieder zu Hause einzieht, dann hat er irgendwas Gewaltiges ausgefressen. Entweder die falsche Frau geschwängert und ihre gefährlichen Brüder sind hinter ihm her. Oder er hat ein Kreuzfahrtschiff auf ein Riff gesetzt.
Bei Fabio tippe ich mal auf eine heißblütige Ivana aus dem Gemeindebau im 10. Bezirk
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