Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Schlauchboote, die garantiert nicht rein zufällig direkt vor dem bagnino -Häuschen im Sand aufgebockt sind. Zusammen wirkt das wie eine große Naturbühne, und im Hintergrund dienen Orangen- und Zitronenbäume als Kulisse, an denen die Früchte jedes Jahr so lange hängen bleiben, bis sie verrottet herunterplumpsen. Auf dem Markt kriegst du sie eh so gut wie geschenkt, also macht sich niemand die Mühe, sie zu pflücken.
Erst jetzt fallen mir auch die zwei Olivenhaine auf, von denen mein Schwiegervater vor unserer Abreise geschwärmt hat. Seit Jahren träumt der alte Romantiker in ihm davon, wenigstens einmal bis November mit seinem Wohnwagen hier stehen bleiben und dann bei der Ernte helfen zu dürfen. Leider schließt der Platz immer Mitte Oktober, und wenn ich das jetzt so betrachte, bin ich mir sicher: weil Massimo und seine Leute einfach die Oliven für sich selbst behalten wollen.
Am Strand ist jetzt auch wieder bella passegiata angesagt. Das haben sich die Deutschen offenbar von ihren Gastgebern abgeschaut. Die Bucht im knöcheltiefen Wasser auf und ab flanieren wie oben im Dorf auf dem Corso, nur eben in Badehose und mit Schlappen in der Hand statt Rosenkranz. Besonders putzig sieht das aus, wenn die Spaziergänger die Arme hinter dem Rücken verschränkt halten und gleichzeitig die Kugelbäuche nach vorn drücken.
Ich sitze auf dem schwimmenden Trampolin und lasse die Füße ins Wasser baumeln. Der leichte Wellengang bringt die Konstruktion sanft zum Schaukeln. Ich schätze, genau so muss sich ein Baby im Fruchtwasser fühlen.
Plötzlich erkenne ich den Bürgermeister am Strand, wie er wild gestikuliert und auf einen Italiener einredet, dessen gigantische Designer-Sonnenbrille sein halbes Gesicht verdeckt. Zu seinen Füßen hockt irgendwie schuldbewusst ein Golden Retriever. Eine Hunderasse, die inzwischen als Modeaccessoire für Mütter aus Hamburg-Eppendorf erheblich an Popularität eingebüßt hat.
Der Bürgermeister hat heimtückischerweise seine Uniform gegen einen Badehosenslip getauscht, wodurch er in der Masse der Strandspaziergänger quasi anonym untertauchen konnte. Er hält jetzt einen seiner berühmten Gassi-Säcke in die Höhe, dann zeigt er wieder auf den Hund, fuchtelt weiter mit der Hand in der Luft, deutet auf den Beutel, auf den Hund und zu etwas, das der Hund offenbar unterwegs verloren hat.
Das einzigartig Elegante an der italienischen Sprache ist ja, dass man sie auch bequem aus 50 Metern Entfernung verstehen kann, weil sie zur Hälfte auf Gesten basiert. Der Bürgermeister, das muss man ihm lassen, gibt sich allergrößte Mühe. Nur scheint es ihm nicht direkt zu gelingen, die Bedeutung seiner Botschaft zu vermitteln. Der Italiener zuckt mit den Schultern und breitet die Arme aus, als wollte er sagen: »Mi scusi, ma che cazzo vuoi?« Seine Körpersprache erinnert dabei an Luca Toni, wenn der mal wieder Richtung Stadiondach gezielt hatte, statt den Ball an seinen freistehenden Mitspieler weiterzupassen: Tut mir leid, aber was zum Teufel willst du eigentlich?
Der Bürgermeister kniet sich in den Sand, die Plastiktüte über die Hand gezogen, und ich vermute mal, dass er gerade erklärt, wie diese phantastischen Beutel zu benutzen sind. Mit dem ausgestreckten Arm deutet er auf all die Bäume, an denen er die Dinger hat aufhängen lassen. Es ist ein wundervolles Bild: zwei Männer im Sand, die niemals die gleiche Sprache sprechen werden – selbst wenn sie sich auf Englisch verständigen könnten.
Genau in diesem Moment versucht es der Hund mit einer letzten Charme-Offensive. Erst streckt er vorsichtig ein Pfötchen Richtung Bürgermeister aus, dann lässt er sich mit angezogenen Beinen auf den Rücken fallen.
Ich traue meinen Augen nicht, aber der Bürgermeister beugt sich zu dem Golden Retriever herunter, streichelt ihn kurz und entfernt den Haufen.
Lena deckt den Tisch fürs Abendessen, während ich immer noch damit beschäftigt bin, den kleinen Fernseher zurechtzurücken, den ich in der Früh etwas überraschend im Kleiderschrank unseres Wohnwagens entdeckt habe. Ich denke, Lena hat mir dessen Existenz ganz bewusst verschwiegen. Gerade befestige ich mit Klebeband die Kabel auf unserem hässlichen Kunststoff-Teppichboden, damit niemand darüber stolpert. Meine Missgeschicke lassen mich allmählich etwas paranoid werden.
Dass heute schon wieder ein Länderspiel übertragen wird, hatte ich auch erst wieder auf dem Schirm, nachdem Willi etwas umständlich rumdruckste angesichts
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