Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Segafredo-Bar, erzählt Fabio, ist natürlich super gelaufen. Die heißesten Frauen der Stadt hatten sie zu ihrem zweiten Wohnzimmer gemacht, es war jeden Tag voller als im Mailänder Abflugterminal während des Lotsenstreiks. Die chicas quetschten sich in die Bar wie Hühner in der Legebatterie. »Zu viel Stress, weißt eh«, jammert Fabio, »und mir hat all das hier gefehlt, das Meer, der Strand, der Corso. Auch wenn’s am Ende der Welt ist.« Er säuselt: »Ist doch so. Du weißt erst, was du liebst, wenn es nicht mehr da ist.« Fabio beugt sich verschwörerisch nach vorn: »So wie du, bellissima .«
Lena schmilzt förmlich dahin.
Jedenfalls lebt Fabio wie jeder unverheiratete Italiener jetzt wieder daheim. Also, das Haus gehört natürlich ihm, sagt er, und die Mamma wohnt umsonst dort. »Weißt eh.«
»Und was machst du jetzt?«, fragt Lena.
»Immobilien!«
Ich muss mich zusammenreißen, um nicht vor Lachen zu platzen. Ein Immobilienmakler in einem verrotteten Fischerkaff, der bei Mutti wohnt. Das ist vermutlich das italienische Pendant zur sogenannten digitalen Bohème von Berlin, wo man in schicken Cafés vor seinem MacBook sitzt und »irgendwas mit Medien« macht.
»Was ist eigentlich aus all den anderen Lottogewinnern geworden«, versuche ich das Gespräch in eine neutrale Richtung zu lenken.
Fabio grinst. »Einer hat am Ende seiner Weltreise den Rest seiner Kohle in Las Vegas verspielt.« Er hatte offenbar seine innige Beziehung zu Fortuna für langfristiger gehalten. Ein anderer, ein kleiner verpickelter Typ, der selbst in Sepiana immer ein Außenseiter war, hat sein ganzes Geld fröhlich in Huren und Koks investiert. Nach zwei Jahren war der Gewinn perdu. Und mit ihm alle seine neuen Freunde. »Aber der ist immer noch der Glücklichste von uns allen«, sagt Fabio mit großem Respekt in der Stimme, »der hat alles gegeben.«
Wenn es einen Katalog für Klischee-Italiener gäbe, wäre Fabio hundertprozentig der Coverboy. Alles an ihm ist gerade den einen Tick zu viel. Das Gel, das braune Gesicht, die gigantöse Sonnenbrille.
»Die meisten Leute«, erzählt er, »haben sich ein Haus gekauft. Oder ein Restaurant oder eine Pension eröffnet.« Sie hatten ziemlich schnell überrissen, dass der Gewinn nicht groß genug war, um sich von den Touristenlümmeln unabhängig zu machen. Und so wollten die Klügeren unter den Glückspilzen zumindest die Infrastruktur schaffen, um im Feriengeschäft noch effektiver ihre Kohle zu scheffeln. Quasi eine Urlauber-Melkmaschine.
Ein Mann in weißer Leinenhose und weißem Hemd schlendert an unserem Tisch vorbei und grüßt recht freundlich. Er sieht aus wie Helmut Dietl in seinen besten Jahren.
»Habt ihr den gesehen? Das ist Peppino. Der spielt immer noch jede Woche. Und er gewinnt fast immer. Selbst wenn in ganz Italien niemand drei Richtige hat.« Vor ein paar Jahren hat er noch mal 100 000 Euro gemacht. In Sepiana gilt er seitdem als eine Mischung aus Heiligem und Dorf-Weisem. Und alle, die erfolglos mit ihren Tippscheinen die Marmortafel vor Millecose gestreichelt haben, gehen jetzt zu Peppino und küssen ihm die Hand. Wie dem Papst. Oder einem Paten.
»Aber die ärmste Sau«, fährt Fabio in seiner Erzählung fort, »ist Carlo.«
»Der mit der Waschanlage?« Lena kennt ihn natürlich auch.
»Esatto.« Genau.
Im Prinzip hatte dieser Carlo eine grandiose Geschäftsidee. Er hatte beobachtet, wie sich einer nach dem anderen aus dem Dorf ein nagelneues Auto bestellte. Was, so ganz nebenbei, die Deutschen in den Wahnsinn trieb, weil ihr Monopol auf schicke Autos mit einem Mal gebrochen war.
Man kennt das jedenfalls aus dem Nahen Osten – die narkotisierende Wirkung des Öl-Reichtums. Plötzlicher Wohlstand verführt zur Faulheit. Und die zwingende Carlo-Logik war: Wer wäscht da sein Auto noch selbst?
Also kaufte er eine vollautomatische Waschstraße mit zwei Walzen und zwölf Bürsten. Was er in seinem Businessplan nicht ganz einkalkuliert hatte, war die doch eher magere Einwohnerzahl Sepianas. Und selbst die deutschen Touristen mieden die Anlage des vermeintlichen Millionärs großräumig. Denn wenn es ein Gefühl gibt, das bei uns noch stärker ist als die Liebe zum frisch geputzten Auto, dann ist es der Sozialneid. Nicht nur, dass wir ihn praktisch erfunden haben, mir ist auch keine andere Sprache geläufig, in der es ein Wort dafür gäbe.
Die Nässe und die Kälte in seinem Monstrum haben bei Carlo recht bald eine schlimme Gicht verursacht. Und
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