Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
diesen Tank ausleert.«
»Was dachtest du, was damit passiert?«
Ich zucke mit den Schultern. Habe ich nie drüber nachgedacht. Hoteltoiletten muss man jedenfalls auch nicht ausleeren.
Lena legt lächelnd ihr Buch beiseite und rappelt sich auf. »Komm, ich zeig dir, wie das geht«, sagt sie mit dem Enthusiasmus eines Pfadfinderleiters, der ein ganz verwegenes Abenteuer ankündigt. Vor dem Heck des Wohnwagens kniet sie sich auf den Boden und öffnet eine Luke.
»Boah«, sagt sie, »das wurde aber auch Zeit. Das sind bestimmt ein paar Liter.«
»Appetitliches Thema.«
Zu den vielen Dingen, die ich bislang über die fröhliche Welt des Campings gelernt habe, gehört auch, dass es weder Privatsphäre noch Tabuthemen gibt. Vor ein paar Tagen saß ich während Ercoles Happy Hour mit einem Typen an der Bar, der sich hinter einem steinernen Maßkrug vor seinen kleinen Kindern versteckte. Und noch ehe er mir seinen Namen nannte, erzählte er schon von der Vasektomie, die er erst kürzlich hatte vornehmen lassen. Offenbar reichten ihm »die beiden Monster«, wie er die Kinder nannte, bereits jetzt völlig.
Lena schnallt den Tank mit zwei Spanngurten aufrecht auf die Ikea-Sackkarre.
»Das darf niemals umfallen, hörst du?«, sagt sie.
»Schon klar. Aber die Spanngurte hättest du mir auch mal früher geben können. Zum Beispiel, bevor mir die Steinplatten in Bürgermeisters Sat-Anlage gekracht sind.«
»Stimmt.«
Es ist natürlich mein Job, die Karre zu ziehen. Erstens, weil ich immer noch der Mann bin, obwohl ich täglich zu den sogenannten »Waschweibern« zum Spülen geschickt werde. Und zweitens tauge ich einfach besser zum Sündenbock, falls mit unserem Pipi-Kanister doch noch etwas, nun: danebengehen sollte.
Das berüchtigte WC Kimik, in dem man seine Exkremente entsorgt, liegt direkt hinter dem Männer-Badehäuschen. Auf dem Weg dorthin passieren wir ein gutes Dutzend Wohnwagen, deren Besitzer allesamt zunächst aufs Meer schauen, dann aber auf uns. Die ersten sagen schon »Mahlzeit«.
Ich kann mir ehrlich gesagt nicht viele Dinge vorstellen, die noch entwürdigender sind, als meinen gesammelten Urin vor den Augen anderer Leute spazieren zu fahren. Aber Lena sagt, das geht ohne weiteres: »Wenn du drüben in der Zona Saturno wohnst, dann ist das WC Kimik direkt gegenüber von der Strandbar.«
Die Italiener, sagt sie, tragen dabei zumindest coole Ray-Ban-Sonnenbrillen und tun so, als würden sie telefonieren. Was es aber auch nicht viel eleganter macht. »In der Bar sehen wirklich alle, wie du ein paar Kilo Scheiße an ihnen vorbeirollst.«
»Das ist dann wenigstens für beide Seiten unangenehm.«
Als wir an den Toiletten vorbeikommen, sitzt eine ältere Frau auf einem Klappstuhl vor der Waschmaschine, sie liest ein Heftchen, das aussieht wie das Neue Blatt . Gibt es alles hier auf dem Platz im Supermarkt zu kaufen.
»Meinst du, wir sollten ihr sagen, dass so eine Maschine automatisch läuft?«, frage ich. Die Frau tut mir leid. Andere tollen am Strand herum, und sie sitzt neben dem Klo.
»Die wartet nicht auf ihre eigene Wäsche, die will nur verhindern, dass sich jemand vordrängelt, sobald die Maschine durch ist.«
»Ist nicht wahr!«
»Doch. Das wirst du auch noch erleben, wenn wir die Bettwäsche waschen müssen. Das ist wie Krieg.«
Na ja, sagen wir mal: Kalter Krieg.
Auf jeden Fall ist Camping ein Urlaub für Leute, die eigentlich keine Ferien ertragen. Du hast dauernd was zu tun: waschen, putzen, kochen, spülen. Im Prinzip ist es der gleiche Lebensrhythmus wie zu Hause. Und so gesehen macht es auch eine Menge Sinn, dass alle gleich ihr rollendes Eigenheim mitbringen, inklusive der Häkelgardinchen. Und die reinigen sie dann alle zwei Wochen in der Waschmaschine hier.
Allmählich dämmert mir auch, warum Camping bei Holländern so beliebt ist. Es ist definitiv die calvinistischste aller Urlaubsformen: Vor jeder Freude steht die Arbeit. Und vor dem Sex das WC Kimik.
Das befindet sich ganz am Ende der Sanitäranlagen. Wer eine gute Nase hat, kann es auch ohne den entsprechenden Holzwegweiser nicht verfehlen. Eigentlich wäre dies ein lauschiger Platz. Man hört die Ziegen meckern, die auf dem Hügel gleich nebenan grasen. Ein paar Feigenbäume wachsen aus dem Steinfußboden, aber dass jemand ausgerechnet hier zwischen den Bäumen eine Wäscheleine gespannt hat und seine Klamotten zum Trocknen aufhängt, finde ich dann schon eher speziell.
Erst als ich mir die Kleider näher ansehe, begreife
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